Super 8

Piccolo-Film

Die großen Super-8-Distributoren

Piccolo-Film

Die Geschichte eines Super-8-Vertriebs.
Ein Text von Klaus Kohlmann

Die Besonderheiten des Piccolo-Film-Programms waren so zahlreich und vielschichtig, dass das Aufzählen zur Mühe wird. Doch eine Tendenz schimmerte im Piccolo-Film-Programm unter all diesen Besonderheiten stets durch: die Firma berücksichtigte (im Gegensatz zu marketing) besonders die Käufer mit kleinem Geldbeutel In der Zeit von 1975 bis 1979 erschien jeder neue Titel, die übrigens in monatlichem Abstand auseinander lagen, als Einteiler ohne hohe Anschaffungskosten für die Käufer. Erst 1979 ging die Firma zu Zweiteilern über, die noch immer keinen besonders tiefen Griff in den Geldbeutel forderten. Dreiteiler gab es zwar schon immer („Edelweißkönig“), blieben aber selten, erst 1980 erschienen eine Handvoll Dreiteiler, darunter „Der SuperCop“, „Das Boot“, „Apache Woman“, ebenso wie Vierteiler („Sandokan“). Als großer Anbieter besaß das Programm auch viele preiswerte, kleine Filmehen, die von einer Länge von 17m an aufwärts reichten. Ein Schwarzweißfilm wurde stets billiger angeboten als ein Farbfilm, ein Stummfilm billiger als ein Magnettonfilm.

Die Firma nahm atlas-Filmtitel großer amerikanischer Komiker ins Programm, so z.B Charlie Chaplin Filme, die in voller Länge zu haben waren Auch hier wurde der Kostenvorteil durch das preiswerte Schwarzweißmaterial an den Kunden weitergegeben. Große Fernsehfilme wie „Der Seewolf‘ oder „Sandokan“ nahm man ebenfalls ins Programm auf. Man scheute nicht die Veröffentlichung derartiger Filme, die der Käufer bereits aus dem Fernsehen kannte, denn man vertraute dem großen Super-8-Bild. Darüber hinaus besaß die Firma die Exclusivrechte an sämtlichen Walt-Disney-Filmen. Erst dieser Exklusivvertrag forderte einen deutlich höhen Verkaufspreis als bei anderen Filmtiteln gleicher Länge innerhalb des Programms. Dadurch erschienen Disney- Filme kaum als 120m-Rolle, sondern nur als 65m-Rolle, um den Verkaufspreis nicht ins Astronomische abwandern zu lassen. Lediglich einige Disney-Realfilme waren als IIOm-Rolle erhältlich (z.B. „Das schwarze Loch“ und „Mit dem Wind nach Westen“) zum gewohnten Verkaufspreis. Dennoch waren und sind Disney Filme von Super-8-Sammlern außerordentlich begehrt. So besaß die Firma den laut Werbung meistverkauften Super-8-Film überhaupt („Das sensationellste Fußballspiel“, 45m, Farbe, Ton) von Disney. Auch hier achtete die Firma auf die kleinen Käufer, und es gab gerade von den Disney-Filmen ein- und denselben Titel oft in mehreren Versionen, meist in stumm oder mit Ton, in schwarzweiß oder in Farbe, meist auch in unterschiedlichen Längen. Kurz vor der Rezession konnte Piccolo noch einmal dank seines Disney-Programms zu einem Schlag ausholen, als der Film „Das Dschungelbuch“ zum Weihnachtsprogramm 1980 bundesweit im Kino anlief. Es wurde eine weitere 65m-Fassung neben den bereits sieben existierenden Fassungen veröffentlicht wurde.

Von den drei großen Anbietern war Piccolo-Film eine gewisse Zeitlang auch der experimentierfreudigste Die Firma brachte Super-8-Fassungen auf dem Markt, die die technischen Spielereien der „Großen“ auch für den Sammler zugänglich machen sollten, wenn sich diese auch nur auf einige wenige Titel beschränkten. Hier sind Filme in Cinemascope zu nennen („Die Tiefe“, „Straße der Verdammnis“ und „Die Brücke am Kwai“) und Filme in 3-D mit zwei Brillen im Anaglyphenverfahren („Der Schrecken vomAmazonas“ und „Gefahr aus dem Weltraum“). Piccolo Film darf sich rühmen, als erster deutscher Anbieter den Versuch gewagt zu haben, Spielfilme mit relativ komplizierten Wiedergabeverfahren auf den Markt zu bringen Darüber hinaus waren einige Titel neben der Magnettonfassung auch in Lichtton zu haben („Der Wildtöter“). Diesbezüglich erkannte man jedoch schnell, dass sich Lichttonfilme auf dem Markt mangels abspielfähiger Projektoren nicht durchsetzen konnten, und im Katalog 1980 warn keine Lichttonfilme mehr im Angebot Trotzdem muss man diesen Versuch anerkennen, denn die Lichttonfilme zeichneten sich wiederum durch einen niedrigeren Verkaufspreis aus als die teuer zu bespurenden Magnettonfilme.

Diese Experimentierphase endete ca. 1978, von da an erschienen ’nur1 noch normale Filme. Seit dieser Zeit sank auch der Service der Firma. Konnte man in den frühen siebziger Jahren einen durch Gebrauch beschädigten Super-8-Film noch über den Handel durch die Firma „reparieren“ lassen (!), so war dies Ende der siebziger Jahre schon nicht mehr möglich Außerdem schwand die Laufzeit pro 120m – Rolle von echten 20 Minuten früherer Filme („Schlacht um Midway“) auf durchschnittlich 17 Minuten pro 1 lOm-Rolle späterer Filme, sei es, indem ein unglaublich langer Schwarzfilmnachspann zum Füllen der Rolle verwendet wurde („Die Schlümpfe und die Zauberflöte“), oder vielmehr, indem man auf dickem Material kopierte. Eine allgemein übliche Unsitte, die auch bei Konkurrenzfirmen einzog. Piccolo kopierte ausschließlich auf Azetatmaterial unterschiedlicher Marken. Bekannt sind Kodak und Fuji für die Farbfilme, Orwo für Schwarzweißfilme.

Piccolo Film kaufte sehr oft in Amerika erschienene Super-8-Kopien auf, versah sie mit deutschem Ton, verkaufte sie in Deutschland wieder und machte nie einen Hehl daraus. So konnte der Kunde auf der Hülle erkennen, ob er nun einen Titel aus dem amerikanischen Castle-Filmprogramm oder einen von Universal kaufte. Durch den Vertrag mit Universal gelangten frühzeitig amerikanische Welterfolge auf den deutschen Super-8-Markt, zunächst als Einteiler („Psycho“, „Erdbeben“), ab ca. 1979 meist als Zweiteiler („Der weiße Hai“). Deutsche Filme fanden nach wie vor Eingang in das Programm (z.B. „Ach du lieber Harry“, „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ oder „Neues vom Räuber Hotzenplotz“), auch wenn das Programm seinen Schwerpunkt eindeutig auf amerikanische Zweiteiler der Universal und Disneyfilme verlagerte. Die letzten Filme, die von Piccolo erschienen, waren „Das Boot“ (3x110m) sowie Disneyfilme, etwa „Die alte Mühle“, „Mit dem Wind nach Westen“ und ebenso „Cap und Capper“ als letzte 65m-Fassung.
Die Qualität zwischen den einzelnen Titeln war sehr unterschiedlich. Natürlich war Piccolo beim Bezug amerikanischer Universal8-Kopien auf deren Qualitätsstandard angewiesen. Das Bild besaß hier zumeist künstliche Farben, gepaart mit einem groben Korn, die Schärfe reichte von gut („Dracula“) bis untragbar („Buck Rogers“). Selbst hergestellte Filme besaßen ebenso Qualitätsunterschiede. Waren die Schwarzweissfilme oft von guter Schärfe („Haie und kleine Fische“), besaßen Farbfilme zwar noch eine gute Bildqualität mit guter Schärfe („Planet der Vampire“) bis weniger guter Schärfe („Straße der Verdammnis“). Die späten Filme kurz vor der Rezession besaßen zumeist eine deutlich bessere Bildqualität und Schärfe, die für den damaligen Standard sogar sensationell gut war („Das Ende einer Odyssee“, „Das Boot“). Qualitativer Spitzenreiter mit vorbildlicher Qualität und Schärfe dürfte wohl „Flash Gordon“ sein. Man darf sagen, dass Piccolo bemerkenswert viele Filme in außerordentlich guter Qualität besaß.
Als die Rezession einsetzte, versuchte die Firma, den Kontakt zum Sammler zu halten, und der Käufer konnte nun Filmtitel direkt bei der Firma mit einem Preisnachlass beziehen. Außerdem war Piccolo 1982 noch auf der Photokina in Köln neben Inter-Pathé-Film mit einigen Super-8-Filmen vertreten. Mit der Umstellung 1982 auf Video änderte die Firma ihren Namen und nannte sich Euro-Video. Von geplanten, aber stornierten Super-8-Veröffentlichungen ist lediglich der Disney-Realfilm „Tron“ bekannt.

Exklusives Interview mit dem Piccolo-Film-Gründer Claus Czaika:

Dieser Text stammt aus den „S8-Katalogen“ von TH. Ciemniak, K. Kohlmann und A. Supanz. Die „S8-Kataloge“ sind komplett als PDFs zum Download verfügbar:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Language >