Marketing Film
Die Geschichte eines Super-8-Vertriebs.
Ein Text von Klaus Kohlmann
Von den drei großen Anbietern war marketing Film der kleinste, gemessen an der Anzahl der lieferbaren Titel. Doch Quantität steht bekanntlich in keinem Zusammenhang mit Qualität, und so findet auf das Programm der Firma der Spruch seine Gültigkeit: „klein – aber fein“. Als Emporkömmling versuchte sich die Firma durch eine besondere Kopierqualität einen Namen zu machen. Das Qualitätszeichen hieß „OptiColor“ und sollte auf ein besonderes Kopierverfahren hinweisen, welches sich in technischer Hinsicht aber vermutlich von der Methode anderer Firmen nicht unterschied. In der Tat jedoch durfte der Käufer davon ausgehen, dass die Super-8-Kopie von marketing Film stets eine gute Bildqualität aufwies, dagegen stehend mit einer eher guten bis mittelmäßigen, flauschig-weichen Schärfe. Vor eklatanten Ausrutschern mit schlimmer Qualität, wie es besonders bei Inter-Pathé oder Ufa an der Tagesordnung war, durfte man sicher sein. Auch verwendete die Firma immer makellose Vorlagen in erstklassigem Zustand für die Super-8-Kopierung Die frühen Titel waren in der Schärfe dagegen noch eher unterschiedlich, so besaß „Der Pfarrer von St. Pauli“ merkwürdige Farben bei sehr guter Schärfe, während „Insel der Giganten“ eine mittelmäßige Schärfe aufwies. Qualitative Spitzenreiter mit vorbildlicher Schärfe dürften wohl „Steiner II“ sowie „Die Insel des Dr. Moreau“ sein. Jeder Filmtitel blieb im Durchschnitt drei Jahre in den Katalogen vertreten, bevor man ihn wieder herausnahm, ebenso wie bei den anderen Anbietern. Zu guter Letzt entschied sich die Firma ab 1979 ihre Filme nicht mehr auf Azetat, sondern auf Polyester zu ziehen, was laut Werbung dünner, reißfester, geräuscharmer, knickunempfindlicher und farbbrillianter war, was in der Tat von Vorteil war und ist. Auch gelegentliche Wiederauflagen von älteren Titel (z.b. „Caprona – das vergessene Land“) wurden dann auf Polyester gezogen. Gleichzeitig folgte die Firma jedoch der allgemeinen Tendenz, die Längenangaben der Rollen von 120m auf 110m zu kürzen. Mit Hilfe des dünneren Polyestermaterials konnte man auch am besten vertuschen, dass eine Rolle mit 110m Länge in Wahrheit lediglich 90- bis allenfalls 99m Länge aufwies. Dieser „Betrug“ war aber auch bei Konkurrenzfirmen absolut üblich. Dennoch schien marketing mit Rohfilmmaterial zu sparen, wo es nur ging. Im Gegensatz zu Kopien anderer Anbieter wiesen die marketing Filme einen beträchtlich kürzeren Vor- und Nachspann auf.
Erfahrungen mit dem Verkauf von Super-8-Firmen sammelte die Firma schon früher durch ihre Aktivitäten als Pornofilmanbieter. Unter dem Etikett Love Film vertrieb die Firma Sexfilme auf Super-8 mit Längen von 60m, 100m und 150m, Ein- bis Vierteilern, ebenfalls in OptiColor und ab 1979 ebenfalls in reißfestem Polyester.
Das reguläre Programm beinhaltete überwiegend europäische Groß-Produktionen wie „Bud Spencer“-Filme oder Karl-May-Verfilmungen. Langsam drangen aber auch amerikanische Riesenproduktionen durch. Interessante Filme von Louis de Funés, aber auch die Millionenproduktion „King Kong“ wurden angeboten, während sogenannte „Billigfilme“ aus dem Fernsehalltag allmählich aus dem Programm verschwanden. Später war ausschließlich großes Hollywood-Kino angesagt. In der Regel wurden diese Filme in drei Teilen ä 110m – 120m veröffentlicht, was den Käufer zu einem relativ tiefen Griff in den Geldbeutel zwang, aber auch langes Super-8-Kino versprach. Einziger Vierteiler und damit längster in Deutschland angebotener marketing Film ist „King Kong“. Einteiler wurden langsam zur Ausnahme, Zweiteiler waren stets nur in kleiner Anzahl im Programm vertreten, auf diverse Stummfassungen sowie Kleinströllchen verzichtete man schon immer. Außerdem konzentrierte sich das Angebot auf teuer zu bezahlende Farbfilme; einige alte Titel aus dem Katalog 1975 waren zwar noch sowohl als Farb- oder Schwarzweißversion zu haben, der Heintje-Farbfilm „Hurra, die Schule brennt“ war als einziger Titel nur in SW zu haben. Nach 1977 aber beinhaltete das Angebot keinen einzigen Schwarzweißfilm mehr. Erst im letzten Katalog 1981 tauchte der Zweiteiler „Der Matleser Falke“ als einziger Schwarzweißfilm auf, noch dazu zum selben teuren Verkaufspreis wie die Farbfilme. Ganz offensichtlich also strebte man als Zielkäuferschicht die Gut- und Besserverdienenden an, denen Luxus kein Fremdwort war.
Letzten Endes aber gelang der Durchbruch der Firma erst mit der Veröffentlichung der Schnittfassung von „Krieg der Sterne“ Ende 1978, ein dreiviertel Jahr nach der Deutschlandpremiere dieses berühmten Science-Fiction-Erfolgs. Es war schon eine kleine Sensation als der Film erschien. Die Ankündigung im Katalog war dementsprechend. Ein Dreiteiler war nach Lizenzrechten nicht möglich, und so durfte die Firma lediglich eine 120m- und eine 60m-Rolle veröffentlichen. Diese Fassung versuchte die Rettung der Prinzessin Leia vom Todesstern zu schildern, wodurch anderweitige Sequenzen, auf die der Käufer so gespannt war, weichen mussten, etwa der Angriff auf den Todesstem. Dadurch blieb so mancher Käufer etwas enttäuscht Nicht zu letzt durch die Attraktivität des Titels und der guten Kopierqualität begann man sich für marketing film zu interessieren, und diese Firma begann, weitere attraktive Titel ins Angebot aufzunehmen. Durch einen Exklusivvertrag mit Paramount konnte die Firma reihenweise sogenannte Top-Titel anbieten. Es folgten „Grease“, „Saturday Night Fever“, auch „Spiel mir das Lied vom Tod“ und „Star Trek“ als gigantische Kinoerfolge neben Klassikern wie „Kampf der Welten“ oder „Über den Dächern von Nizza“, die von marketing nun zu haben waren. Marketing hatte nun auch die absoluten Welterfolge im Programm. Dies ermöglichte der Firma, eine Niederlassung in Amerika zu wagen. Dort sollten sämtliche Titel von Paramount (mit Ausnahme von „Barracuda“), die hierzulande als Dreiteiler erschienen waren, in mehreren Fassungen, und zwar als 60m, als 110m, als 3 x 110m und bemerkenswerter Weise auch als ungekürzte Fassung (in der Regel 5 bis 8 x 110m oder länger) vertrieben werden, erhältlich in englischer, französischer und in spanischer Sprache. Die früheren Komplettfilme wie „Grease“ oder „Der Pate“ sind in den USA kopiert worden, während ein zuletzt erschienener Kompletttitel “Ein Riss in der Welt“ dagegen definitiv in Deutschland hergestellt wurde, um dann nach Amerika ausgeliefert worden zu sein. Jene früheren Filme sind teilweise auf Kodak Azetatmaterial gezogen („Grease“), mittelfristig wurde aber auf Kodak Polyester umgestellt. Dieses Polyestermaterial war aber nicht ganz so dünn, wie es der deutsche Käufer gewohnt war. Von der „Ein Riss in der Welt“- und „Flucht von Alcatraz“-Komplettfassung ist bekannt, dass sie auf Agfa-Polyester kopiert wurden. Das dortige marketing-Programm enthielt übrigens auch zwei Komplettfilme, die hierzulande nicht von marketing, sondern von Piccolo-Film als Schnittfassungen vertrieben wurden („Mord im Orientexpress“ und ‚Tod auf dem Nil“).
Man schätzte das amerikanische Publikum als vielschichtiger und kauffreudiger ein. Der deutsche Sammler erfuhr von der Veröffentlichung jener Komplettfassungen in Amerika nichts; es war nie beabsichtigt, diese Komplettfassungen auch in Deutschland anzubieten. Dass die Dreiteiler jener Filme im Titel nicht mehr den originalen Schriftzug aufwiesen, sondern in internationaler Form durch die verhassten blauen Schrifttafeln ersetzt wurden, ließ bei niemandem Verdacht aufkommen. Diese Niederlassung wurde gerade eröffnet, als die allgemeine Rezession einsetzte, so dass diese USA-Filiale nicht lange existieren konnte. Erst im Laufe der 80er Jahre sickerte die Nachricht davon durch, als die eine oder andere Kopie über Sammler nach Deutschland gelang, und die Jagd deutscher Sammler nach diesen begehrten Komplettfassungen aus Amerika begann.
Doch zurück zum deutschen Programm. Auch hierzulande wurden nun einige Titel auf Agfa- Polyester gezogen, so z.B. „Der letzte Countown“. Die Praxis anderer Firmen, Super-8- Kopien amerikanischer Finnen mit deutschem Ton zu versehen und hierzulande mit anzubieten, wandte 1978/79 auch marketing Film an, die bis dahin „nur selbst hergestellte Produkte vertrieb. Lieferbar wurden dann die MGM-Filme als Einteiler, so z.B. „Quo Vadis“ oder „Meuterei auf der Bounty“. Offenbar erkannte man dann, dass mit Einteilern ohne große Anschaffungskosten für den Käufer wohl doch ein Geschäft zu machen war. Jedenfalls zogen 1981 selbst hergestellte Einteiler großer Welterfolge in das Programm ein: „Man nannte ihn Hombre“, „Ein Supertyp haut auf die Pauke“, „Fluchtpunkt San Franzisko“ und „Reise zum Mittelpunkt der Erde“.
Die allerletzten Veröffentlichungen, die in keinem Prospekt mehr auftauchten, waren „Der letzte Countdown“ (3x110m), „Der Große mit seinem außerirdischen Kleinen“ mit Bud Spencer (3x110m), „Jäger des verlorenen Schatzes“ (1x110m), und der geplante Film „Die Eroberung des Weltraums“ (3x110m) soll angeblich auch noch mit wenigen Exemplaren aus dem Kopierwerk gekommen sein. Doch schon befanden wir uns mitten in der Rezession. Während die Ufa- und Piccolo-Kopien 1982 zu Niedrigstpreisen als Ramsch verschleudert wurden, landeten die marketing Filme nie auf den Wühltischen der Fotogeschäfte. Jede letzte Kopie im Handel musste noch mit ‚harten Devisen‘ bezahlt werden bzw. man konnte nur mit geringen Preisnachlässen rechnen. Dies war mit ein Grund, warum marketing Filme in den 80er Jahren unter Sammlern in der Regel immer mit deutlich höheren Preisen gehandelt wurden als Filme anderer Finnen. In einzelnen Filmpublikationen konnte man nachlesen, dass die marketing-Geschäftsleitung den verbliebenen Interessenten die Möglichkeit anbot, bei genügender Anzahl Neuauflagen einzelner Titel anzufertigen. Von dieser Möglichkeit wurde
jedoch nie Gebrauch gemacht, m.E. aus zwei Gründen: 1. Die Käuferschicht war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in dem Maße organisiert, dass sich genügend Abnehmer für einen Titel zusammenfanden; 2. der Käufer fürchtete, dass der Preis einer neuaufgelegten Rolle nach wie vor bei DM 149,50 läge, einem Verkaufspreis, den angesichts der Schleuderpreispolitik ringsrum kein Sammler mehr zu zahlen bereit gewesen wäre.
Nach dem Super-8-Vertrieb stellte sich die Firma wie die anderen gnadenlos und zum Leidwesen der Sammler auf Video um. Lieferbar waren vor allem deutsche Kinofilme und europäische Horrorfilme. Die Firma erlosch Ende 1995.
Dieser Text stammt aus den „S8-Katalogen“ von TH. Ciemniak, K. Kohlmann und A. Supanz. Die „S8-Kataloge“ sind komplett als PDFs zum Download verfügbar:
Interview mit dem Gründer von marketing film
Möchten Sie noch mehr über marketing film erfahren? Besuchen Sie die Seite zu Manfred Menz, der zusammen mit Hans-Georg Rehs marketing film gründete und leitete. Hier finden Sie weitere, exklusive Informationen
Michael
Marketing Filme gab es am Ende auch günstiger. Ich habe FLUCHTPUNKT SAN FRANZISKO ca. 1982 bei Karstadt für 79 Mark gekauft. Das war als Schüler für mich immer noch ein Vermögen, habe es aber nicht bereut. Nur nach Cover gekauft. Piccolo Filme gab es für 69 Mark, man konnte sogar Wunschtitel zu diesem Preis bestellen, wunderbar, mir fehlte noch der zweite Teil von DER WEISSE HAI. Und Ufa IMPERIUM beide Teile à 39,90 bei Foto Quelle auch gekauft. Ich hätte niemals 149 Mark bezahlt. Mein einzig regulärer Kauf war EIN AUSGEKOCHTES SCHLITZOHR 66m/sw für 49,90, da hatte man viel Film fürs Geld. So, das war meine komplette Sammlung damals. Ein Glück, dass es dann alles Kultfilme waren, die man oft schauen konnte.
Dirk aus Dortmund
Das gesamte Marketing – Film Programm, da war alles dabei, wurde um 1982 bei Karstadt in Dortmund für ca. 80 DM pro Rolle abverkauft.
Damals dachte ich, das kauft wegen dem dünnen Filmmaterial keiner, denn die Filme der anderen Anbieter waren immer noch bei den alten Preisen geblieben.
Das war noch viele Wochen so, dann erst wurde alles billiger.