Archiv Teubig
Aus „Die Leinwand“ – Ausgabe 2/1984
Ein Blick hinter die Kulissen der Super-8-Filmindustrie der 1970/80er
Viele Super-8-Freunde wollten von uns wissen, wie denn nun eigentlich so ein Kinofilm, der mit 35mm-Material gedreht wurde, auf den Super-8-Film übertragen wird. Wie kommt der Ton auf die Magnetspur, wieso gibt es unscharfe Filme und warum sind die Farben nicht immer optimal? Fragen über Fragen. Mit diesem SPECIAL will die LEINWAND versuchen, alle Fragen erschöpfend zu beantworten. LEINWAND-Mitarbeiter Peter Gruber war im BAVARIA-KOPIERWERK in München und hat sich dort mit dem Thema beschäftigt.
DAS GESCHÄFT
Zunächst muß der Super-8-Filmhersteller die Rechte an einem Film erwerben. Das heißt, er kann nicht ohne Einverständnis und entsprechende Zahlungen an den Rechteinhaber mit seinen Arbeiten beginnen.
Meist regeln genau gefaßte Verträge die gegenseitigen Interessen. So ist in einem Vertrag z.B. auch festgehalten, in wieviel Teilen der S-8-Film erscheinen kann, wie hoch die Kopienauflage sein darf und welches Ausgangsmaterial (Negativ 35mm, Positiv 35mm, Negativ 16mm,Inter-Positiv-16mm) für die Umkopierung zur Verfügung steht. Die Höhe der Lizenzvorauszahlung (die natürlich entsprechend der Attraktivität des Filmtitels beziffert wird) ist darin ebenso festgelegt, wie die erst später zu zahlende Stücklizenz pro verkaufter Kopie.
DIE VORBEREITUNGEN
Meist schon bevor die Verträge unter Dach und Fach sind, beginnt die Arbeit am Film. Zunächst wird die (zu beschaffende oder bereits vorliegende) 35mm-Kinokopie in voller Länge im Vorführraum oder auf dem Schneidetisch, angesehen. Auf einem Manuskript wird dann in Stichworten festgehalten, welche, die Handlung erklärenden Szenen und Höhepunkte des Films in der Super-8-Version enthalten sein sollen. Das erfordert sehr viel kreatives Einfühlungsvermögen und einen geübten Blick des Cutters oder der Cutterin, die den Film zu bearbeiten haben.
Bindend für den Inhalt ist natürlich die Vorgabe, ob der Film ein, zwei oder mehrere Teile haben soll. Am Schneidetisch entscheidet sich, welche Szenen aus dem Kinofilm in der gekürzten Super-8-Fassung enthalten sein werden. Mehr Filmmeter sind gleichbedeutend mit mehr Spielzeit und mehr Platz für die Handlung und die auftretenden Personen.
Wie die Erfahrung zeigt, hängt die inhaltliche Qualität eines Super-8- Films nicht immer nur von der Laufzeit ab. Es gibt hervorragende 120m-Fassungen ebenso auf dem Markt wie schlechte (oder natürlich auch gute) 360m-Fassungen von verschiedenen Filmen. Auch eine 60m-Fassung kann durchaus ihre inhaltlichen Qualitäten haben.
Wenn der Kinofilm im Rohschnitt entsprechend dem Manuskript auf die entsprechenden Super-8-Spielminuten geschnitten wurde, kommen die Filmteile ins Kopierwerk zur Tonüberspielung. Vom Lichtton des 35mm-Films wird hier ein perforiertes 16mm-Magnetband gezogen. Nach der erfolgten Tonüberspielung des Rohschnitts Rohschnitt deshalb, weil zwischen dem Bild und der Tonspur ein Versatz von 20 Bildfeldern die Norm ist), wird die 35mm-Vorlage bildgenau feingeschnitten und gemäß der späteren Super-8-Akte mit Startbändern, Ende-Titeln usw. versehen.
IM KOPIERWERK
Vom Feinschnitt der 35mm-Kopie wird nun im Kopierwerk mit größter Sorgfalt (man kann dunkle Passagen aufhellen, Farbverstärkungen oder Abschwächungen entsprechend dem „Charakter“ des Super-8-Bildes vornehmen) ein 16mm-Inter-Negativ, hergestellt. Dieses Inter-Negativ kann nur so gut sein wie seine Vorlage, das Ausgangsmaterial! Das heißt, Unschärfen, Kratzer und Laufstreifen aus der 35mm-Kopie bleiben auch im 16mm-Negativ erhalten. Von diesem Inter-Negativ wird nun ein Inter-Positiv, also ein farbrichtiger, vorführbereiter Film als Arbeitskopie, gezogen.
So ist nun eine neue Generation des Films entstanden. Betrachtet man das 35mm-Original-Negativ als den Vater, so ist die 35mm-Positiv-Kopie der Sohn, das 16mm-Inter-Negativ schon der Enkel und die davon entstehende Super-8-Kopie schon der Urenkel = die vierte Generation mit entsprechenden Qualitätsverlusten. Ein Faktor, der oft bei der Qualitätsbewertung von Super-8-Kopien vergessen wird.
Die 16mm-Arbeitskopie wird nun auf dem 4-Teller-Schneidetisch zusammen mit dem 16mm-Perfo-Magnetband eingespannt. Die Cutterin schneidet nun das Band synchron zum Filmbild. Stimmen Bild und Ton einschließlich aller Bildtitel, Auf-und Abblendungen genau überein, geht die Arbeitskopie mit dem Tonband vom Hersteller zurück an das Kopierwerk.
DIE ENTSCHEIDENDE PHASE
Das 16mm-Farbnegativ kommt nun in die Super-8-Kopiermaschine. Es wird quasi als Schleife eingespannt, um einen Endlosdurchlauf zu garantieren. In einem Durchlauf werden zugleich 4 Super-8-Streifen die auf einem 35mm-Streifen (siehe das nebenstehende Muster) fertig perforiert untergebracht sind, belichtet.
Das geschieht, indem das Negativ von einem feindosierten Lichtstrom durchleuchtet wird, der von vier Optiken mittels eines Prismas von hoher Güte, auf die vier Super-8-Streifen projiziert wird. Das Super-8-Kopiermaterial (meist Acetatfilm von Kodak), wandelt nun die „verkehrten“ Farben des Negatives (sehen Sie sich als Beispiel einen Negativ-Streifen eines normalen 24X36mm Papierbild-Films an) in die richtigen Farben, also das Positiv um. Nach dem Durchlaufen diverser chemischer Bäder zur Stabilisierung, endet der Kopiervorgang. Auf dem 4X Super-8 = 35mm Bildstreifen befindet sich nun der Super-8-Film – ohne Ton.
Aus dem eben vergleichsweise einfach geschilderten Vorgang kann man ersehen, daß hier weitere Quellen für Fehler lauern. Wenn z.B. das S-8- Kopiermaterial oder auch das Negativ nicht absolut ruhig und plan durch die Kopiermaschine laufen, können sowohl ein wackeliger Bildstand als auch Unschärfen die Folge sein. Und das gleich Viermal. Daraus erklärt sich auch, warum manche Filmrollen (z.B. Teil 2 eines 3-Teilers) unscharf sind,während die restlichen Akte in Ordnung sind.
Durch Umtausch beim Hersteller kann (!) man dann mitunter einen einwandfreien Akt bekommen. Es ist also eine Frage der Sorgfalt des Kopierwerkes wie die Filme am Ende aussehen.
DER TON ZUM FILM
Die vierstreifigen Super-8-Originale werden nun mit Präzisionsmaschinen mit einer Haupt- und Ausgleichsspur versehen. Auf unserem Muster ist das der Anschauung halber schon vorweggenommen worden. In der Tonabteilung wartet schon das synchron zum Film geschnittene Perfo-Tonband auf seinen Einsatz.
Es wird auf einen Magnetbandspieler aufgelegt und entsprechend der im Filmvorspann befindlichen Startmarken synchron abgefahren. Das Aufnahmegerät (mit vier Tonköpfen für die vier Magnetspuren) fährt gleichzeitig die Filmrolle ab und so werden zugleich vier Filmstreifen in einem Arbeitsgang vertont. Auch hier kann es Probleme geben. Der Ton kann mit zuwenig Pegel ( daher also zu leise) überspielt werden; er kann mit zuviel Pegel (also mit Verzerrungen) auf die Piste gelangen und eine weitere Ursache für schlechten Ton kann das Ungenaue Auftragen der Magnetspur darstellen. Jaulen und „eiern“ des Tons entsteht durch ungleichmäßigen Zug auf dem Magnetbandspieler oder dem Aufnahmegerät, etwa dann, wenn sich Bandschlaufen gebildet haben.
Nach der Vertonung wandern die fast fertigen Filmrollen noch in eine weitere Abteilung des Kopierwerks, den „Splitting-Raum“.
Hier wird die Vierer-Rolle auf einer Hochpräzisionsmaschine „Gesplittet“, d.h. in vier normgerechte Super-8-Streifen zerschnitten. Gerade hier ist höchste Genauigkeit vonnöten. Wenn der Film nämlich nicht ganz genau geschnitten wird, hebt er sich im Bildfenster des Projektors von der Bild-Bühne ab und das Bild wird einseitig oder gar über die ganze Breite unscharf. In Extremfällen kann der Film auch reissen, bzw die Zahnradrollen oder Teile der Bildführung im Projektor beschädigen.
DAS ENDPRODUKT
Nach dem Splitting sind die Filme mit Bild und Ton vorführbereit. Sie werden jetzt entsprechend ihrer Länge auf Spulen konfektioniert und jeweils am Akt-Ende und Anfang von der etwa 1200m langen Rolle geschnitten. Der Auftraggeber, also der Filmhersteller bekommt nun eine sogenannte Null-Kopie (also die Erste, fertige Super-8-Kopie) zur technischen Freigabezugesandt. Er kann jetzt noch Änderungswünsche bezüglich der Farbe, dem Bildstand, der Schärfe usw. dem Kopierwerk angeben. Sind Änderungswünsche vorhanden, müssen Teile des beschriebenen Arbeitsganges wiederholt werden. Die moderne Elektronik kann hier sehr hilfreich sein. Im BAVARIA-KOPIERWERK sind sogar Korrekturen einzelner Bildfelder mit Hilfe der Elektronik möglich.
Da solche Korrekturen natürlich zeitaufwendig und kostenintensiv sind, haben manche Hersteller in der Vergangenheit auf nötige Korrekturen und Qualitätsverbesserungen verzichtet. Unschöne Beispiele für diese traurige Wahrheit wird fast jeder Super-8-Freund in seinem Archiv haben.
Die fertigen Filme werden nun noch in Folien verschweißt und die Plastikoder Karton-Schachteln eingelegt. Mit Bestellnummern, Preisen und sonstigen Angaben versehen, warten die bunten Kinoträume auf Super-8 geduldig auf den Einsatz in Ihrem Heimkino.
Wie Sie aus den vereinfacht geschilderten Vorgängen bei der Herstellung einer Super-8-Kopie ersehen können, ist eine totale Endkontrolle jeder einzelnen Kopie unmöglich. Eine Tatsache, die formatbedingt ist und die man einfach akzeptieren muß. Trotzdem sollte man bei begründeten Beanstandungen nie vor einem Umtausch und ggf. langwierigen Schriftwechsel mit dem Hersteller zurückschrecken.
Wegen einem Staubkorn im Negativ, einer schwarzen Schramme „unten links“ oder einem Lichtblitz „oben rechts“, wird und kann Ihnen kein Hersteller einen Film umtauschen. Denn – Fehler die im Ausgangsmaterial vorhanden sind, können nicht korrigiert werden. Das sollten sich vor allem jene gewissen Perfektionisten merken, die ihre Filme mit der Lupe und nicht mit dem Projektor betrachten.
Autor: Peter Gruber
„Die Leinwand“ Ausgabe 2/1984
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Beachten Sie auch…
den zum Inhalt passenden Alternativtext „Wie entsteht ein Super-8-Film?“, der 1981 in der Zeitschrift Kinothek veröffentlicht wurde und etwas weniger ins Detail geht, dafür aber mit Bildmaterial aufwarten kann.