Archiv Teubig
Aus Kinothek 03/1981, Seite 68-69
Wie entsteht ein Super-8-Film?
Viele Super-8-Freunde haben sich schon häufig die Frage gestellt, wie denn nun ein großer Kinofilm auf den S-8-Streifen übertragen wird. KINOTHEK ist dieser Frage noch einmal nachgegangen und hat in die Kochtöpfe der Spielfilmhersteller geguckt …
Das Geld
Am Anfang ist das Geld! Der rechtmäßige Produzent eines Leinwand-Spektakels hat mit Eigenkapital, Krediten und Vorschüssen seinen Film in die Kinos gebracht. Nun versucht er sein Produkt auch über Kinos hinaus zu vermarkten. Schallplatten, Filmbücher, Spielzeug, Comics und natürlich Heimkinofilme zählen zu den „Werbeträgern“, die die Kosten für einen Film abdecken oder dessen Gewinn vermehren müssen. Der Produzent bietet seinen Film also den Super-8-Herstellern zur Auswertung an. Es gilt nun den Vertrag auszuhandeln:
- Wieviel S-8-Filmteile dürfen gemacht werden?
- Wie hoch ist die „Garantie“, also ein nicht rückzahlbarer Vorschuß auf den zu erwartenden Umsatz des Films den die Super-8-Firma zahlen muß?
- Woher kommt (und wer bezahlt) das Ausgangsmaterial für den Super-8-Film (Kinokopie, Duplikat-Negativ, Ton-Band usw.)?
- Die Laufzeit eines Vertrages, die Festlegung der Länder in denen die S-8-Fassung verkauft werden darf und die Stücklinzenz die pro verkaufter Kopie an den Film-Inhaber gezahlt werden muß?
Vereinfacht dargestellt sind das die Vertragspunkte die vor der praktischen Arbeit geregelt werden müssen. Man kann sich vorstellen, daß es hier durchaus um fünfstellige Beträge geht …
Die Praxis
Am Schneidetisch der Cutterin entscheidet sich, welche Szenen eines Films später in der S-8-Fassung enthalten sein werden. Dafür wird der 35 mm-Kinofilm in seiner Gesamtlänge angesehen, der Inhalt rollenweise aufgeschrieben und dann schließlich entschieden, wo die Schere angesetzt wird. Diese künstlerisch-kreative Arbeit erfordert sehr viel Einfühlungsvermögen und vor allem ein Gespür dafür, was wohl der Super-8-Freund in 1, 2 oder mehreren Filmteilen sehen (und bezahlen) möchte. Das ist natürlich schwierig: Zum Einen ist die Kürzung ein Eingriff in die Arbeit des Regisseurs, der ja mit jeder Szene etwa aussagen wollte, zum Anderen muß der Schnitt den vertraglichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten einer Super-8-Produktion Rechnung tragen! Es hat sich allerdings in den letzten Jahren gezeigt, daß ein Super-8-Film mit 2-3 Teilen dem Inhalt eines Kinofilms bei gutem Schnitt durchaus gerecht werden kann. Komplette Filme in voller Länge sind in der Regel weder aus vertraglichen noch Kosten-Gründen vertretbar.
Ist der 35-mm-Kinofilm auf die entsprechenden Super-8-Teil-Längen geschnitten, werden diese Filmteile an das Kopierwerk zur Tonüberspielung gegeben. Hier wird von der Lichtton-Spur des Kinofilms ein perforiertes Magnetband „gezogen“.
Das Kopierwerk
Von dem fertig geschnittenen Film wird nun auf fotomechanischem Wege ein auf 16 mm verkleinertes DuplikatNegativ hergestellt. Schon zuviel Technik? Nein, lieber Kinothek-Leser; jeder, der einmal mit dem Fotoapparat Papierbildfilme verknipst hat, weiß wie ein Negativ-Filmstreifen aussieht: Es sind farblich „umgedrehte“ Bilder, die auf Positiv-Film übertragen wieder farbrichtig erscheinen. Von diesem Negativ wird eine sogenannte „Arbeitskopie“ in 16 mm hergestellt. Die Cutterin legt nun am Schneidetisch den Tonband-Ton lippensynchron an die Bilder der Arbeitskopie an. Das heißt, sie schneidet das Tonband exakt nach dem Bild, so daß z. B. ein Schuß auch in dem Moment zu hören ist wo er auf dem Bild abgefeuert wird!
Im Kopierwerk beginnt inzwischen der entscheidende Vorgang der schon bald zur ersten Super-8-Kopie führt! Das 16 mm Farbnegativ wird in die Kopiermaschine eingelegt und in völliger Dunkelheit vollzieht sich das „Wunder“ der Filmentwicklung, dessen Geheimnisse die Gebrüder Lumiere im Jahre 1885 fanden …
Auf optisch-fotomechanischem Wege wird der Super-8-Kopierfilm quasi Bild für Bild vom Negativ belichtet. Auf dem S-8-Positiv-Streifen erscheinen jetzt die Farben wieder „richtig“. In einem Arbeitsgang werden gleichzeitig vier Super-8-Filme, die zunächst als ein breiter Streifen durch die Maschine laufen, gezogen.
Der Super-8-Hersteller erhält nun von diesem Streifen eine „Abnahme-Kopie“ zur Freigabe für die Massenproduktion. Anhand dieser Abnahme-Kopie kann er jetzt Korrekturwünsche bezüglich der Bildschärfe, Farbe, Helligkeit usw. an das Kopierwerk durchgeben. Diese Änderungswünsche werden auf eine Art Computer-Protokoll eingespeichert und von den hochmodernen Kopiermaschinen umgesetzt. So ist bei der Massenfertigung ein Höchstmaß von Qualitätskontrolle gewährleistet. Die vier nebeneinanderliegenden Streifen werden in einem weiteren Arbeitsgang „gesplittet“, d. h. sorgfältig auseinandergeschnitten.
Auf Riesenspulen umgerollt werden die Filme jetzt zur Tonabteilung gebracht.
Auf die Filmstreifen wird mit Präzisionsmaschinen die Magnetpistole (Haupt-und Ausgleichsspur) aufgetragen.
Artikel im Original-Layout
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Das von der Cutterin punktgenau geschnittene Magnetband wird auf ein Abspielgerät gespannt und nun auf die Randspur der einzelnen Super-8-Filme überspielt. Natürlich werden auch bei diesem Arbeitsgang mit einem Magnetband-Durchlauf mehrere Super-8-Kopien vertont. Schließlich werden die Filmrollen auseinandergeschnitten und auf handelsübliche S-8-Filmspulen umgerollt ..
In der Konfektion werden die Filme dann mit Bestellnummern, Siegelmarken oder Plastikfolien verschweißt und in die vom Hersteller vorbereiteten Filmschachteln verpackt – der Super-8-Spielfilm ist fertig!
In den Regalen der Lagerräume des Filmherstellers wartet nun „Superman“, „Donald Duck“ oder „Rosemarie‘ s Baby“ in Farbe und Ton in Super-8 auf ihre „Premiere“ im Heimkino unserer Leser! Allerdings geht‘ s jetzt noch einmal ums Geld – die Kinoträume wollen erst einmal bezahlt sein…
Michael Teubig
Beachten Sie auch…
den zum Inhalt passenden Alternativtext „So entsteht ein Super-8-Film“, der 1984 in der Zeitschrift „Die Leinwand“ veröffentlicht wurde und noch mehr ins technische Detail geht.