Hinter dem Eisernen Vorhang:

Schmalfilm–Heimkino in der DDR

VEB DEFA Kopierwerke

VEB DEFA Kopierwerke - Schmalfilm–Heimkino in der DDR

In der Deutschen Demokratischen Republik gab es nur einen einzigen Anbieter von Heimkinofilmen: den Volkseigenen Betrieb „DEFA–Kopierwerke Berlin, Abteilung Massenbedarf.“ Der „Massenbedarf“, 1954 gegründet, war ansässig in Berlin-Johannisthal am Groß-Berliner Damm 61, später 71. Die Leitung lag von Beginn an bis 1988 in den Händen von Rudolf Kampmann. Von 1955 bis 1990 wurden dort Schmalfilmkopien für das Kinovergnügen zu Hause gezogen – zunächst auf Normal-8, später kurzfristig wohl auch auf 16mm, überwiegend aber im Super-8-Format.

Text: Michael Hell, Eberhard Nuffer

Bei den „Heimfilm“-Veröffentlichungen (1) des VEB DEFA-Kopierwerke handelte es sich um Kurzfilme oder Kurzfassungen abendfüllender Filme aus Beständen des Staatlichen Filmarchivs der DDR, der DEFA und des Deutschen Fernsehfunks (später „Fernsehen der DDR“), sowie aus diversen Lagern der „sozialistischen Bruderstaaten“ UdSSR, Tschechoslowakei, Ungarn und China. Ab 1960 wurden in Zusammenarbeit mit dem DEFA Studio für Spielfilme wohl auch vereinzelt Filme direkt für die Heimkino-Auswertung produziert (2). Bis zum Ende der DDR erschienen mehr als 450 Heimfilm-Titel, die – nach hausinterner Kategorisierung – folgenden Genres zuzuordnen waren: „Zeichentrickfilme, Puppentrickfilme, Kinderfilme von Kindern gespielt, Märchenfilme von Schauspielern gestaltet, Märchentrickfilme, Lustige und spannende Abenteuer, Tierfilme, Humoresken und Grotesken, Landschafts- und Städtefilme aus der DDR, Filmberichte aus dem Ausland, Berichtsfilme mit unterhaltendem und populärwissenschaftlichem Charakter, Kunst und Kultur, Ausschnitte aus bekannten Spielfilmen“ sowie „wertvolle Archivfilme aus den Anfängen der Filmgeschichte“.

Für den Sammler wirken heute die Filme der Rubriken „Aus den Anfängen des Films“ und „Aus den Beständen des staatlichen Filmarchivs der DDR“ besonders interessant, die übrigens nicht nur Werke aus dem Osten, sondern aus dem gesamtdeutschen Stummfilmschaffen umfaßten. Auf der 66m-Super-8-Rolle „Die ersten Filme der Welt“ finden sich Originalaufnahmen aus dem Jahr 1895, die Max Skladanowsky seinerzeit bei der legendären ersten Filmvorführung überhaupt im Berliner Wintergarten präsentierte: „Mr. Delaware und das boxende Känguruh“ und „Italienischer Bauerntanz“. Neben historischen Filmgeräten ist außerdem „internationales“ Filmmaterial in Form von Ausschnitten aus mehreren Kurzfilmen des französischen Film-Pioniers Georges Méliès, etwa „Die Halluzinationen des Baron Münchhausen“ (1911) zu sehen. Ebenfalls als 66m-Fassung erschienen der ursprünglich abendfüllende, in Berlin angesiedelte Detektiv-Sensationsfilm „Wo ist Coletti“ (1913) von Max Mack, das erste Werk des „Kunst- und Autorenfilms“: „Der Student von Prag“ (1913) mit Paul Wegener sowie Walther Ruttmanns berühmter Montage-Film „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ (1927). Immerhin zwei 66m-Spulen (später als 132m-Fassung auf einer Rolle zusammengefaßt) gestand man den Klassikern des expressionistischen Films „Das Cabinett des Dr. Caligari“ (1919) von Robert Wiene und „Nosferatu“ (1922) von Friedrich Wilhelm Murnau zu. Auch „Der Sonderling“, das Langfilm-Debüt des großen bayrischen Komikers Karl Valentin aus dem Jahr 1929, hatte in der DEFA-Kurzfassung eine Länge von 132 Metern – allerdings auf vier Spulen à 33 Meter verteilt. Und Fritz Langs Stummfilmklassiker „Dr. Mabuse, der Spieler“ (1922) war mit fünf Teilen à 66m nicht nur die längste Stummfilm-Edition der DEFA, sondern der längste DEFA-Heimfilm überhaupt.

Dieser Text ist bereits erschienen in der Cine 8-16, Ausgabe 26, Seite 32ff, Juni 2013.

Mit Dank an Herrn Hell, Herrn Nuffer und Herrn Brengel für die Freigabe zur Veröffentlichung auf off2 die freundliche Bereitstellung der DEFA-Kataloge.

off2 Interview zum DEFA-Heimkino

Dr. habil. Forster ist Filmwissenschaftler, Ausstellungsleiter am Filmmuseum Potsdam, Autor und in vielen weiteren Bereichen aktiv. Auf seiner Webseite Schmalfilmkino.de gibt er Einblick in seine Sammlung und informiert über seine Tätigkeiten. off2 hat sich mit ihm eingehende über das Schmalfilm-Heimkino der DDR unterhalten, das auch hinter dem eisernen Vorhang durchaus gepflegt wurde:

Interview Teil 1: Beginn des DEFA-Heimkinos, Veröffentlichungen und die technischen Gegebenheiten in der DDR

Interview Teil 2: Kopien für Westdeutschland, Schnittfassungen und Verkaufserfolge

Interview Teil 3: Außergewöhnliche Heimkino-Titel in der DDR und über das Ende des DEFA-Heimkinos

Eine Eigentümlichkeit der DEFA-Stummfilmveröffentlichungen war die seitliche Beschneidung des originären Stummfilmbildes, das man in etwa mit dem heutigen Super 35-Bild vergleichen kann: Mit den vorhandenen Kopiermaschinen konnte nicht die ganze Breite des Stummfilmformats übertragen werden, sondern nur das etwas verkleinerte Tonfilm-Bild, das so genannte „Academy Format“, das nach dem „Abzwacken“ der Lichtton-Spur und einer leichten Maskierung in der Höhe übrig blieb. Aus diesem Grund waren bei vielen dieser Schmalfilmkopien die Zwischentitel nicht vollständig lesbar und kleine Zettel beigelegt:

"Lieber Schmalfilmfreund! Einige Zwischentitel in diesem Heimfilm sind auf der linken Seite angeschnitten. Dies erklärt sich aus der Umkopierung der Bildgröße im Stummfilmformat auf die heute gültigen Bildabmessungen. Eine Einkopierung neuer, passender Zwischentitel hätte einen unvertretbar hohen Aufwand erfordert. Im Interesse der Originalität des alten Stummfilms und der Erhaltung seiner Originaltitel haben wir darauf verzichtet. VEB DEFA Kopierwerke Berlin."

Wenn auch die Stummfilme geringfügig in ihrem Original-Bildinhalt beschnitten waren, so wirkten sie dennoch wesentlich originalgetreuer als alle Kopien, die der VEB DEFA Kopierwerke von später entstandenen Spiel-, Dokumentar- oder Trickfilmen herstellte. Denn bei allen Produktionen aus der so genannten „Tonfilmzeit“ fehlte ein wichtiges Element: Die Tonspur!
In den Verkaufskatalogen, die in unregelmäßigen Abständen erschienen, wurde dies wie folgt begründet:

"Unsere Heimfilme sind Ausschnitte aus Filmen des Lichtspielwesens und des Fernsehens der DDR und lassen sich deshalb nicht mit dem Originalton vertonen. Die Vertonung eines DEFA-Heimfilmes würde vollkommen neue Tonaufnahmen, Tonmischungen und Tonüberspielungen erfordern. Der dafür notwendige finanzielle Aufwand ergäbe einen unvertretbar hohen Verkaufspreis. Es ist uns daher auch nicht möglich, auf Band überspielten Ton zur eigenen Vertonung zur Verfügung zu stellen. (3)"

All das war natürlich kompletter Unsinn; glaubwürdig wirkte bestenfalls die Formulierung „unvertretbar hoher Verkaufspreis.“ Denn schon die EVPs („empfohlene Verkaufs-Preise“) der Stummfilmkopien waren, gemessen an einem DDR-Einkommen, ziemlich hoch: Hier wurden ähnliche Preise in Ost-Mark verlangt, wie man sie in den 1970er Jahren bei Piccolo & Co. für Filme vergleichbarer Länge in West-Mark bezahlte.
Die Herstellung von Magnettonkopien in 8mm-Formaten hätte zwar sicherlich zusätzliche Maschinen erfordert, doch neue Tonaufnahmen und Tonmischungen wären dafür mitnichten erforderlich gewesen. Außerdem gab es bereits zu Beginn der Super-8-Ära die ORWO-Tonspur – und es gibt sie immer noch. Die tatsächlichen Gründe dafür, dass im DEFA-Heimfilm-Proramm keine Tonfilmkopien angeboten wurden, dürften zum einen der Mangel an brauchbaren Normal 8- und Super-8-Tonfilmprojektoren im damaligen Ostblock gewesen sein und zum anderen schlicht der fehlende Wettbewerb.

Doch auch der Filmfreund im Osten mußte nicht völlig auf eine akustische Begleitung verzichten. Denn zu fast jedem Film wurde eine ausführliche Inhaltsangabe auf einem beigelegten Blatt mitgeliefert. Ein Teil der Texte war so abgefasst, dass sie als Manuskript für eine eigene Vertonung dienen konnten. Denn Tonaufnahmen mittels eines separaten Tonbandgeräts waren auch in der DDR möglich. Etlichen Schmalfilmfreunden machte die Nachvertonung der „Kauffilme“ mit Musik und selbst eingesprochener Sprache damals viel Spaß, teilweise kamen auch ansehnliche Ergebnisse dabei heraus. Heute wird bei eBay ab und zu ein Film mit selbst erstellter Tonfassung auf Tonband oder Musikkassette angeboten, gelegentlich sogar mit einer (nach der Wende) nachträglich aufgebrachten, bespielten Magnettonspur. (4)

Mit Eigenvertonungen aller Art, mit möglichst synchron zum Film vorgelesenen Texten vom Beiblatt oder eben völlig stumm konnten oder können also die DEFA-Fassungen der so genannten „Klassiker des deutschen Tonfilms“ vorgeführt werden, als da waren: „Der blaue Engel“ (1930) mit Marlene Dietrich, Emil Jannings und Hans Albers (lieferbar in drei Teilen: 1×33 + 2x66m), sowie Fritz Langs „M – Mörder unter uns“ (1931) mit Peter Lorre und „die Mutter aller Lümmelfilme“, „Die Feuerzangenbowle“ (1944) mit Heinz Rühmann – beide erhältlich als 2x66m-Fassung und später auf einer 132m-Rolle wiederveröffentlicht.

Doch auch einige Spielfilme aus anderen europäischen Ländern, die wie auch immer im Staatlichen Filmarchiv der DDR gelandet waren, wurden im DEFA-Kopierwerk für den Heimkino-Gebrauch vervielfältigt: Den frühen (britischen) Hitchcock-Thriller „Sir John greift ein“ (1930; Westdeutscher Titel: Mord –Sir John greift ein!) gab’s als 66m-Fassung, während die österreichisch-dänische Komödie „Pat und Patachon im Paradies“ (1937, R: Carl Lamac) mit dem populären skandinavischen Komikergespann Carl Schenstrøm und Harald Madsen auf nur 33 Meter zurechtgestutzt war. Da gestand man dem früh verstorbenen französischen Tausendsassa Gérard Philipe, der wegen seiner sozialistischen Gesinnung auch im Ostblock populär war, schon etwas mehr Laufzeit zu: Sein Kostümfilm „Die Abenteuer des Till Ulenspiegel“ (1956, BRD-Titel: Till Eulenspiegel, der lachende Rebell), eine Co-Produktion der französischen Firma Les Films Ariane mit der DEFA und gleichzeitig Philipes Regiedebüt, konnte immerhin in einer 66m- plus einer 33m-Episode erworben werden.

Aus der DEFA-Eigenproduktion wurden u.a. die Märchenfilmklassiker „Das kalte Herz“ (1950, R: Paul Verhoeven; 3x66m), „Die Geschichte vom kleinen Muck“ (1953, R: Wolfgang Staudte; ebenfalls 3x66m) oder „Das singende, klingende Bäumchen“ (1957, R: Francesco Stefani; 2x66m bzw. 1x132m) für’s Kino zu Hause angeboten. Beklagenswert war, dass man diese frühen Farbfilmklassiker, bei denen neben der liebevollen Ausstattung eben die Farbe sehr viel zur Atmosphäre beitrug, für die Heimkinoauswertung auf Schwarzweißmaterial umkopierte – ein Schicksal, dass sie mit allen anderen DEFA-Spielfilmen teilten. Dementsprechend wirkte auch die 66m-Fassung des Science-Fiction-Films „Der schweigende Stern“ (R: Kurt Maetzig), 1960 nach einem Roman von Stanisław Lem entstanden, etwas „farblos“, ebenso der einzige DEFA-Indianerfilm, der in seinem Ursprungsland auf Super-8 veröffentlicht wurde: „Blutsbrüder“ (1975, R: Werner W. Wallroth; 2x66m) mit Gojko Mitić und Dean Reed in den Hauptrollen. (5)

Auch Ausschnitte aus der DDR-Wochenschau „Der Augenzeuge“ waren im Programm. Historisch besonders interessant ist die Rolle Nr. 127 „Chronik des Augenzeugen – II. Halbjahr 1961:“ Hier geht es um den Bau der Berliner Mauer, im SED-Jargon „antifaschistischer Schutzwall“ genannt. Der DEFA-Heimfilm-Katalog von 1965 schreibt dazu: „Der 13. August 1961 – ein Tag, der den Frieden rettete.“

Für Trickfilmfreunde standen Produktionen zur Auswahl, die in unterschiedlichen Animationsverfahren entstanden waren: Bei „Die Bremer Stadtmusikanten“ und „Der Wolf und die sieben Geißlein“ etwa handelt es sich um Filme in Scherenschnitt-Technik. „Der Ameisenstaat“, in den 20er Jahren entstanden, arbeitete mit Puppen-Animation. Auch der Zeichentrickfilm „Fritz und Fratz“ erinnert an die Tradition des deutschen Trickfilms der 20er Jahre. Die dazugehörigen Original-Zwischentitel wurden in Versform verfasst.
Mit leichten Kürzungen, aber immerhin in Farbe erhältlich waren die vom tschechischen Trickfilmstudio Krátky Film produzierten Zeichentrickfilme um den „kleinen Maulwurf“. Die 1957 vom jüngst verstorbenen Zdenek Miler erfundene Figur ist seit Jahrzehnten im Osten wie im Westen gleichermaßen populär.
Aus dem DDR-Fernsehen kannte man die sowjetische Zeichentrick-Reihe „Hase und Wolf“, die sich großer Beliebtheit erfreute. Von ihr erschienen viele Folgen, sowohl in SW als auch in Farbe. Die Streifen fanden seinerzeit sehr guten Absatz bei der Bevölkerung, und noch heute werden oft und gerne Kopien bei eBay angeboten und gekauft. Recht beliebt war auch die ungarische Trickfilmfigur „Gustav“, eine 1964 geschaffene Kreation des Pannonia-Filmstudios Budapest, die in den 80er-Jahren auch im westdeutschen Privatfernsehen zu sehen war.

Preise für DEFA-Filmkopien N-8/S-8:

16,5m SW, stumm: 8,00 M
30m/33m SW, stumm: 15,00 M (“Ostmark”)
33m Farbe, stumm: 31,50 M
45m/50m Farbe, stumm: 41,00 M
60m/66m SW, stumm: 22,35 M
132m SW, stumm: 44,70 M
Zu Beginn wurden die Preise in DM angegeben.
Mit Einführung des Super-8-Films übernahm man die Preise, die bereits vorher für Normal-8 galten. Alle Preise blieben über Jahrzehnte unverändert

DEFA-Filmkopien 16mm (Preise 1965; MDN= Mark der Deutschen Notenbank)
60m SW, stumm: 24,90 MDN
120m SW, stumm: 44,00 MDN

Kurzfilm „Waldeinsamkeit“
Digitalisierung der original DEFA Super-8 Heimkinorolle.

Neben Spiel-, Dokumentar- und Trickfilmausschnitten bot die DEFA Reisemagazine in Schwarzweiß und Farbe sowie farbige Eisenbahn-Filme an. Darüber hinaus gab es eine Fülle von vorproduzierten Filmtiteln (z.B. „Mit dem Auto unterwegs“, „Der erste Geburtstag“), Trickblenden (etwa Kreis-, Flügel- und „Zerreiß“blenden) und Überleitungsszenen, sowohl in SW als auch in Farbe, auf N-8 und S-8. Diese sollten es dem Amateurfilmer ermöglichen, seine Eigenproduktionen „professioneller“ wirken zu lassen.

In den Anfangsjahren des DEFA-Heimfilms wurden alle Veröffentlichungen im Normal-8-Format, in Konfektionierungen zu 30m, 45m und 60m und in unterschiedlichen farbigen Pappschachteln ausgeliefert. Doch schon bald kam man von den billigen Verpackungen ab und bot – ein einmaliges Verdienst auf dem internationalen Heimkino-Markt – fast alle Filme in Blechdosen an, die eine bessere Archivierung ermöglichten.
Zunächst wurden runde, weiße Etiketten nur auf den oberen Dosendeckel aufgeklebt und von Hand beschriftet. Später kamen fertig bedruckte Etiketten auf die Dosen. Farbkopien erhielten ein Label mit oranger Schriftfarbe, während die SW-Kopien eines mit schwarzer Schrift bekamen.

Irgendwann in den 1960er Jahren kamen auch Kopien im 16mm-Format hinzu. Diese waren auf 60- und 120m-Spulen konfektioniert (6). „Ein Teil der Titel ist auch im 16-mm-Format lieferbar“, hieß es dazu in einem DEFA-Heimfilm-Katalog aus dem Jahr 1965.

"Infolge der geringen Nachfrage können jedoch nicht alle Titel auf Lager produziert werden. Wir informieren den Fotofachhandel durch unsere DEFA-Mitteilungen ständig über die zur Verfügung stehenden Titel. Auf Anforderung wird Ihnen vom Werk eine Liste der lieferbaren Titel zugesandt."

Der Siegeszug des Super-8-Formats machte auch vor der DDR nicht Halt. Aufgrund des größeren Bildes und des damit verbundenen höheren Filmverbrauchs korrigierte das DEFA-Kopierwerk bei den Super-8-Veröffentlichungen die Längenangaben um 10%: War die Normal-8-Fassung mit 30m angegeben, so wurde die inhaltlich identische Super-8-Version mit 33m ausgezeichnet. Aus 45- wurden 50m-Fassungen, und statt 60 stand nun 66m auf der Dose. Und die ursprünglich 15m langen „DEFA-Reisemagazine“ wurden in „16,5m“-Super-8-Fassungen offeriert.

Mit Einführung des Super-8-Formats änderte sich das Design der Dosen-Etiketten. Als auch Super-8-Farbfilmkopien hinzukamen, ging man dazu über, die Filme nach ihrer technischen Ausführung zu kennzeichnen: SW-Kopien im Normal-8-Format bekamen ein blaues Etikett, Super-8-SW-Kopien ein grünes – jeweils mit einem schwarzweißen Szenenbild. Farbige Super-8-Kopien wurden mit rotem Dosen-Label und farbigem Szenenbild geliefert. Und auf der Dosen-Rückseite gab es ein weiteres Etikett mit einer kurzen Inhaltsangabe sowie Angaben über Lauflänge, Kaufpreis und Filmformat.
Die Ausnahme von der Regel bildeten die vorgefertigten Titelsequenzen und Trickblenden, die ebenso wie die „DEFA-Reisemagazine“ in Plastikschachteln mit einem bebilderten Papiereinleger ausgeliefert wurden. Auf dem Einleger waren auch Angaben zur technischen Ausführung (SW/Farbe, Filmformat) und dem Preis abgedruckt, auf der Innenseite fanden sich inhaltliche Erläuterungen zu den Aufnahmen.

Das Kopiermaterial trug bis Anfang März des Jahres 1964 die Herstellerkennung „AGFA“. Am 02.03.1964 wurde aus der „Filmfabrik AGFA Wolfen“ die Firma „VEB Filmfabrik Wolfen“ mit der Eigenmarke „ORWO“ (= Original Wolfen). Nachdem die Restbestände mit der Randmarkierung Agfa aufgebraucht waren, kam das neue „volkseigene“ Kopiermaterial zum Einsatz.
Bei der Kopierung wurde überaus sparsam gearbeitet; „Verschwendung“ war in der DDR ein Fremdwort. Wenn eine Rolle Printfilm auslief, wurde die Kopiermaschine angehalten, eine neue Rolle eingelegt und mit einer Nassklebestelle an das Ende der ausgelaufenen Rolle angefügt. In einer 132 Meter-Rolle fanden wir einmal sage und schreibe fünf solcher Klebestellen. Jedes noch so kleine Reststück wurde für die Kopienherstellung verwendet.

Sparsames Wirtschaften war schon insofern erforderlich, als die Materialvorräte des DEFA-Kopierwerks nicht nur für den heimischen Bedarf, sondern auch zur Belieferung des westdeutschen Schmalfilmvertriebs Piccolo-Film reichen mußten: Ein nicht unbeträchtlicher Teil der frühen Piccolo-Katalogtitel, darunter viele Märchenfilme, waren direkt aus dem DEFA-Programm übernommen. Auch Ende der 70er Jahre ließ Piccolo noch schwarzweiße Neuerscheinungen wie „Heidi“ (1952, R: Luigi Comencini) und „Der brave Soldat Schwejk“ (1960, R: Axel von Ambesser) preiswert auf Orwo-Material kopieren. Bis heute wird gemunkelt, das DEFA-Kopierwerk hätte das bessere Material für die Aufträge aus dem Westen verwendet und die Randbereiche der Masterrolle für die eigenen Produkte genutzt.
Die damalige Sowjetunion wurde übrigens nicht von den DEFA-Kopierwerken beliefert: Auch dort gab es eine Vielzahl von Titeln – etwa aus der „Hase-und-Wolf“-Reihe – auf Super-8 zu kaufen, die aber von einer eigenen Herstellerfirma produziert wurden.

Angesichts der gemeinsamen Herkunft verwundert es nicht, dass die Kopierqualität der DEFA-Schwarzweißfilme in etwa dem entspricht, was wir von den Ende der 60er/Anfang der 70er-Jahre entstandenen Piccolo-, Revue- und Eumig-Veröffentlichungen kennen. Der Bildstand ist teilweise nicht gerade optimal, was vor allem an der Schrumpfung des recht dicken Filmmaterials über die Jahrzehnte liegen dürfte.
Die Orwo-Farbfilmkopien wiederum sehen zwar für unsere Kodak-verwöhnten Augen etwas ungewohnt aus und sind deutlich körniger, doch haben sie sich anders als viele West-Produkte bereits über Jahrzehnte als farbstabil erwiesen.

Die verwendeten Filmspulen und Dosen dokumentieren auf anschauliche Weise die chronische Mangelwirtschaft der DDR, mit der auch die DEFA-Heimfilm zu kämpfen hatte. Mal wurden Spulen mit der Prägung „VEB DEFA Kopierwerke Berlin–Köpenick“, mal mit den Markennamen Agfa und Orwo verwendet. So mancher Kunde, der eine 33m-Fassung kaufte, wunderte sich, dass diese auf einer 60m-Spule in der entsprechenden Dose konfektioniert war. Viele Super-8-Kopien mußten zwangsweise auf Normal-8-Spulen ausgeliefert werden, weil es nie genügend Super-8-Spulen gab. In solchen Fällen war das obere Dosenetikett mit dem Hinweis bestempelt: „S-8-Film auf N-8-Spule“. Zusätzlich wurde in die Filmdose ein Beiblatt eingelegt:

"Werter Schmalfilmfreund! Aus materialtechnischen Gründen wird dieser Super-8-Film auf einer Normal-8-Spule geliefert. Da der Kern der Normal-8-Spule kleiner ist, wird bei der Filmvorführung kein Adapter (Zwischenstück) benötigt. Alle anderen Bedienungsbedingungen bleiben, wie bei der Vorführung von Super-8-Filmen üblich, bestehen. Dieser Film kann mit allen Zweiformatprojektoren vorgeführt werden. Es ist auf jeden Fall auf „Superacht“ einzustellen. VEB DEFA Kopierwerke Berlin."

Die Website der DEFA-Stiftung nennt die Jahre 1972-74 als Zeitraum für die Umstellung von Normal-8 auf Super-8 bei der „Abteilung Massenbedarf“ (7). Tatsächlich war es so, dass auch in der DDR ab einem bestimmten Zeitpunkt kaum noch Normal-8-Kopien verkauft, und diese vom VEB aus den Fotofachgeschäften zurückgeordert wurden. Ein Großteil der N-8-Kopien wurde schließlich sogar vernichtet, um wenigstens die gefragtesten Super-8-Veröffentlichungen auf die N-8-Spulen aufziehen zu können, während man die Dosen entsprechend umetikettierte oder sogar nur umstempelte. Lediglich ein sehr kleiner Bestand der beliebtesten Titel blieb auf Normal-8-Film am Lager.
Im DEFA-Katalog des Jahres 1987 war dazu zu lesen:

"Alle Heimfilme, Reisemagazine, Vorspanntitelgruppen, sowohl in Farbe als auch in Schwarzweiß, werden nur noch im Superachtformat hergestellt. Ein kleiner Bestand an Heimfilmen, Reisemagazinen und Titelgruppen im Normalachtformat ist jedoch noch vorhanden. Bitte Liste anfordern."

Der ständigen Spulenknappheit war sicher auch die späte Entscheidung geschuldet, ab 1987 einige der bisherigen 2x66m-Fassungen zu koppeln und auf einer Rolle als „132m-Fassung“ anzubieten. Mangels entsprechender Super-8-Dosen wurden diese Veröffentlichungen in 120m-Dosen für 16mm-Film ausgeliefert.

Analog zur Abkehr von Normal-8 zeigte sich übrigens auch eine Verschiebung der Nachfrage vom schwarzweißen zum farbigen „Heimfilm“: Irgendwann wollte keiner mehr ursprünglich farbige Filme als Super-8-Schwarzweißkopie kaufen. Zitat aus dem Katalog 1987:

"Die Nachfrage nach den Heimfilmen in Schwarzweiß hat so stark nachgelassen, dass wir uns entschlossen haben, eine größere Anzahl Heimfilmtitel aus unserem Sortiment ab 1988 herauszunehmen. Es verbleiben weiterhin im Angebot die Märchenfilme, die Gustav-, Hase-und-Wolf- und Erschaffung-der-Welt-Serien sowie die klassischen Filme der Stummfilmzeit. Die ab 1988 gestrichenen Titel sind auf Seite 63 aufgeführt. Restbestände davon werden 1988 im Handel mitunter noch erhältlich sein."

Doch die „Abteilung Massenbedarf“ bot nicht nur Filmkopien an. Für Fotofreunde gab es eine große Auswahl an Color-Dia-Serien und so genannten „Color-Bildbändern“ – ungerahmte, unzerschnittene Diafilmstreifen, die man von Spule zu Spule abrollen konnte. Fans der Stereoskopie konnten 3-D-Fotos, „Raumbilder“ genannt und das Betrachtungsgerät „Maliscop“ käuflich erwerben. Und schließlich wurde für Foto-Amateure der Service angeboten, ihre Kleinbild-Negativstreifen in SW oder Farbe zu duplizieren.
Amateurfilmer hatten die Möglichkeit, Umkehrkopien ihrer selbst gedrehten Filme zu bekommen, ihre 16mm-Umkehroriginale mit einer Magnettonspur versehen oder Töne vom Film oder von 16mm-Perfoband umspielen zu lassen.
Übrigens konnten Amateurfilmer, die mindestens fünfzig leere 15- bzw. 30m-Spulen übrig hatten, diese an die Filmfabrik Wolfen zurückschicken. Jede S-8 oder N-8-Spule in einwandfreiem Zustand wurden mit fünf Pfennig, eine 16mm-Spule sogar mit zehn Pfennig vergütet. Denn wie schon gesagt: Recycling war für die DDR sehr wichtig.

Der 11. und letzte DEFA-Katalog, der 1987 erschien und bis 1989 gelten sollte, listete noch über 150 „Heimfilme“ im Super-8-Format auf. Doch schon kurz nach der Wiedervereinigung im Oktober 1990 wurde die Produktion sämtlicher DEFA-Schmalfilmartikel
eingestellt. Die Filmsammler-Zeitschrift „Movie“ meldete in ihrer Ausgabe 3/91: „Eine unerfreuliche Nachricht erreichte uns. Die bekannten „DEFA-Kopierwerke“ in Berlin haben ihre Produktion von Super-8-Heimkinofilmen bereits zum Jahresende 1990 eingestellt. Damit ist eine weitere Schmalfilmquelle versiegt. Die noch zum Schluss lieferbaren Titel können jetzt lediglich von einigen westdeutschen Anbietern, die sich größere Mengen von Kopien gesichert haben (z.B. von as-film) oder ostdeutschen Fotofachgeschäften, die noch eventuell Bestände haben, bezogen werden. DEFA bietet jetzt nur noch Dia-Serien an.“

Doch auch das war nicht von Dauer. Im Laufe der folgenden Jahre wurde die „Abteilung Massenbedarf“ ebenso wie die meisten Unterabteilungen der DEFA abgewickelt. Heute beherbergt das Gebäude am Groß-Berliner Damm 71 eine Firma für Hoch- und Tiefbau sowie mehrere Handwerksbetriebe.

(1) Die Bezeichnung „Heimfilm“ findet sich auch auf einigen frühen Veröffentlichungen der Firma Piccolo-Film, München. Da Piccolo in den 60er Jahren viele Filme aus dem DEFA-Programm übernahm, liegt die Vermutung nahe, dass der Begriff „Heimfilm“ gleich mit „importiert“ wurde.

(2) Vgl. http://www.defa.de/cms/DesktopDefault.aspx?TabID=1068 {Anm. off2: veralterter Link}

(3) DEFA Super-8-Heimfilme, Diaserien, Diafilme. Informationsheft Ausgabe 87/89, S. 2

(4) Der Berliner Filmwissenschaftler Ralf Forster, der sich detailliert mit den DEFA-Heimfilmen auseinandergesetzt hat, bietet seit Jahren Kurzfilm-Veranstaltungen an. Zu den originellsten Programmen zählt eine Zusammenstellung von DEFA-Heimfilmen, die der Berliner „Filmfreak“ Jürgen Hergot auf eigenwillige Weise selbst vertont und teilweise auch mit selbst gedrehtem Material angereichert hat: http://www.schmalfilmtage.de/fest2004/forster.php {Anm. off2: veralterter Link}.

(5) Ein weiterer DEFA-Indianerfilm, „Chingachgook, die große Schlange“, erschien als 120m-Farbfassung unter dem Titel „Der Wildtöter“ beim westdeutschen Lizenznehmer Piccolo-Film. Für Piccolos Sub-Lizenznehmer Revue/Foto-Quelle wiederum wurden davon identische Schwarzweißkopien gezogen.

(6) In welcher Zeitspanne genau „16mm-Heimfilme“ von den DEFA Kopierwerken angeboten wurden, war leider nicht zu ermitteln.

(7) http://www.defa.de/cms/DesktopDefault.aspx?TabID=1068 {Anm. off2: veralterter Link}