Der Arzt für Ihre Filmkopien: Alberto Vangelisti
Jeder Sammler von analogem Filmmaterial kennt das Problem von verblassenden Farben im Filmmaterial. Es ist wie ein unwiderrufliches Schicksal, das geschätze und unersetzliche Kopien ereilt. Bisher gab es keine Möglichkeit, diesem Prozess der Degeneration von Farben Einhalt zu gebieten. Doch nun existiert tatsächlich ein Mittel gegen das Verblassen: Herr Vangelisti, in der Nähe von Florenz in Italien ansässig, ist ein angesehener Spezialist für analogen Film, nicht nur in Italien, sondern auch auf dem gesamten Globus. Verwurzelt in seinem bestreben Sammler zu unterstützen, ihre Archive in guter Qualität zu erhalten, entwickelte er eine einzigartige Behandlung zur Farbkorrektur von (alten) analogen Filmkopien. In diesem Interview spricht er über seine „Therapie“:
Hallo Alberto, und Grüße nach Italien! Sie bieten seit 2019 einen ganz besonderen Service für Analogfilmsammler an: eine Farbkorrekturbehandlung für verblichene Super 8 und 16mm-Kopien, genannt O.R.S.. Wofür steht O.R.S.?
Es steckt keine besondere Bedeutung in diesem Akronym. Der Name „O.R.S.“ besteht einfach aus den Initialen von 3 Freunden, die die Behandlung zum ersten Mal angewendet haben…
Die Ergebnisse sind wirklich verblüffend. Wie sind Sie auf die Idee zu dieser Behandlung gekommen?
Die Idee kam mir in einem Filmlabor, als ich den Prozess der Belichtung und Entwicklung einer neuen Kopie beobachtete… Sagen wir mal, es gibt Ähnlichkeiten zwischen der Herstellung einer neuen Filmkopie und der Durchführung des O.R.S.. Während der Produktion einer neuen Kopie gibt es Phasen, die – so könnte man sagen – in einer umgekehrten Form zur Konzeption der Behandlung beigetragen haben.
Haben Sie einen professionellen chemischen Hintergrund?
Ganz im Gegenteil: Ich habe einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften! Ich habe kein spezielles Chemiestudium absolviert, mein Wissen in Sachen Chemie ist komplett autodidaktisch und begann mit der Entwicklung meiner anderen Dienstleistung, die sich an Film-Sammler richtet – dem Auftragen von neuen Magnetstreifen auf Filmmaterial.
Wie lange dauerte es von der ersten Idee bis zu der endgültigen Lösung mit der Sie jetzt arbeiten?
Die ersten Experimente liegen 6 Jahre zurück, und die Entwicklung wurde vor 3 Jahren abgeschlossen … also sprechen wir von 3 Jahren des Testens, bevor wir bei der aktuellen Version angekommen sind.
Können Sie erklären, wie die Behandlung funktioniert?
Die Behandlung ist in zwei Phasen gegliedert: In der ersten Phase, die ich als subtraktiv bezeichnen würde, entfernt die Behandlung auf chemischem Wege die überschüssige rote Dominante. Tatsächlich erscheint der rote Farbstoff als eine Art Oxid, das durch die Behandlung auf sehr präzise Weise entfernt wird. Was ich dabei überrascht festgestellt habe ist, dass sehr oft unter der roten Dominante noch gute Farben vorhanden sind, die eigentlich von der Dominante verdeckt werden. An diesem Punkt ist es also notwendig, diese Farben, die noch vorhanden sind, so gut wie möglich wieder zu beleben … das ist die zweite Phase der Behandlung. Hier wird bestmöglich der Kontrast dieser Farben wiederhergestellt und damit die Vertiefung der Schwarztöne optimiert.
Diese zweite Phase ist in gewisser Weise vergleichbar mit dem, was passiert, wenn ein neuer Film entwickelt wird. Und das gibt – in diesem Sinne – der alten Kopie, die mit O.R.S. behandelt wird, ein neues Leben. Die Maschine, die für beide Phasen der Behandlung verwendet wird, transportiert das Filmmaterial kontinuierlich, einen Meter nach dem anderen, durch diese Phasen.
Wie lange dauert der Vorgang?
Die Behandlung dauert etwa sechs Stunden.
Hat das O.R.S.-Verfahren neben der Farbkorrektur einen zusätzlichen Effekt auf das Material?
Nein, das O.R.S. hat keine zusätzliche Wirkung auf das behandelte Material, egal ob es sich um Triacetat oder Polyester handelt. Im Gegenteil, es hat durchaus eine blockierende Wirkung in Bezug auf das Ausbleichen: wie ich weiter oben angedeutet habe, wirkt die Behandlung auf das Filmmaterial als ob es gerade mit diesen spezifischen farbmetrischen Eigenschaften entwickelt worden wäre. Die ersten Filmkopien, die vor über 3 Jahren behandelt wurden, haben keine Veränderung erfahren. Natürlich kann ich das nicht für die Ewigkeit garantieren.
Und hat es irgendwelche Auswirkungen auf die Magnetstreifen oder vorhandene Klebestellen?
Keine Auswirkungen, auch nicht in Bezug auf irgendwelche Magnetspuren. Bezüglich der Klebestellen möchte ich präzisieren, dass die Behandlung auf die Einzelbilder, die vom Klebeband abgedeckt sind, keine Auswirkungen hat. Wenn man also überprüft, wo sich die Klebestellen befinden, ist der Unterschied zwischen dem Zustand des gesamten Films „vor der Behandlung“ und nach der Behandlung deutlich sichtbar.
Hat die Behandlung einen Einfluss auf die zukünftige Lagerung der behandelten Filmkopien oder deren Haltbarkeit?
Nein, die Behandlung hat keinen Einfluss auf die Lagerung und die physikalische Lebensdauer des Films selbst.
Gibt es bei den Ergebnissen der Behandlung einen Unterschied zwischen Acetat- und Polyestermaterial?
Nein, es gibt keinen Unterschied bezüglich der Art des Materials. Es funktioniert gleichermaßen bei Triacetat und Polyester.
Was passiert, wenn ein Kunde Ihnen einen Film zur Behandlung schickt und Sie feststellen, dass er vom Essigsyndrom befallen ist?
Wenn das Essigsyndrom offensichtlich ist und die Folie sich verzieht, führe ich die Behandlung nicht durch. Damit die Behandlung wirksam ist, muss der physikalische Zustand des Films gut sein. Wenn also ein Film vom Essigsyndrom betroffen ist, lohnt es sich nicht, ihn zur Behandlung zu mir zu schicken, da der Prozess des Verfalls bereits begonnen hat.
Würde Ihre Behandlung auch bei 35mm-Film funktionieren?
Ja, es ist auch möglich die Behandlung auf 35mm durchzuführen, und ich habe vor kurzem begonnen, die Behandlung mit diesem Filmformat anzuwenden. Natürlich sind die Kosten für einen ganzen Film höher … wenn man die Kosten für Super 8 und 16mm betrachtet, kann man leicht ableiten, dass z.B. der Aufwand für die Behandlung eines ganzen 35mm-Films, der z.B. aus 6 Rollen besteht, zu Kosten von 300 Euro führen kann.
Sollten die Anfragen für dieses Format zunehmen, schließe ich die Möglichkeit nicht aus, eine eigene Maschine zu entwickeln. So könnten die Kosten etwas reduziert werden.
Ich habe gehört, dass es Bestrebungen gegeben hat, Ihr Verfahren zu kopieren. Ist das richtig?
Diese Versuche betreffen hauptsächlich meine andere Maschine, die, die Film mit Magnetstreifen bespurt – und die wirklich einzigartig auf der Welt ist. Ich nenne nicht gerne Namen … Ich sage nur dass die Person, die bei diesem Versuch ihr Bestes gegeben hat, inzwischen sehr eifrig dabei ist, meinen Magnetstreifen-Service bei mir zu buchen.
Was die O.R.S. betrifft, so gibt es auf der anderen Seite diejenigen, die – sagen wir mal vereinfachend – dachten, sie hätten alles verstanden, indem sie davon ausgingen, dass antioxidative Produkte wie „Ferox“ {Rostentferner aus Italien, Anm.d.R.} für die Behandlung verwendet wurden. Oder dass der Film irgendwie gestrichen oder eingefärbt wurde. Und sie behaupten, dass der Film dann leiden und schnell das Essigsyndrom bekommen würde. Mit diesen „Erkenntnisse“ liegen sie allerdings völlig „daneben“ und sind wirklich weit davon entfernt, die Methodik und Wirksamkeit des O.R.S. verstanden zu haben.
Wie viel Meter Film haben Sie dieses Jahr behandelt?
Ich habe inzwischen etwa 200.000 Meter Film verarbeitet.
Woher kommen Ihre Kunden für O.R.S.?
Sammler, die beides benötigen, die Behandlung O.R.S. und/oder den Magnetstreifen-Service, kommen aus der ganzen Welt: aus ganz Europa, den U.S.A. und Kanada. Der Schwerpunkt liegt bei engagierten deutschen, spanischen, britischen und amerikanischen Sammlern.
Bekommen Sie Feedback von Ihren Kunden?
Ja, natürlich erhalte ich Rückmeldungen und viele Sammler fragen inzwischen kontinuierlich nach dem O.R.S. und der Magnetstreifenbeschichtung.
Wie hoch ist der Preis für eine O.R.S.-Behandlung?
Die Behandlung kostet € 50,00 pro Rolle bis 480 Meter und € 60,00 pro Rolle von über 480 Meter bis 700 Meter.
Das scheint finanzierbar. Sie sind ein sehr kreativer und engagierter Super-8-Aktivist, und ich weiß, dass die Community Ihre Arbeit sehr zu schätzen weiß. Entwickeln Sie eigentlich etwas Neues für die Super-8-Community?
Wie ich bereits im Interview erwähnt habe, prüfe ich die Idee, die Behandlung auf 35mm auszuweiten, mit einer Maschine, die speziell für dieses Format entwickelt wird. Außerdem, immer noch in Bezug auf 35mm, denke ich auch über Magnetstreifen auf diesem Format nach. Aber das wird nur von den tatsächlichen, zukünftigen Anfragen abhängen…
Sicher ist, dass ich ab Januar 2021 die Reinigung und das 4k-Scannen von 35mm-Filmen durchführen werde um dann das Ergebnis als Master für Kopien im 16mm Format verwenden zu können. Das geschieht in Zusammenarbeit mit einem italienischen Filmlabor, das auf 16mm Film spezialisiert ist.
Vielen Dank, Alberto, es war mir ein Vergnügen, mit Ihnen zu sprechen.
Interview geführt von Joachim Schmidt
Beispiel für einen auf Farbmaterial kopierten S/W-Film, der nach Rotstich mit O.R.S. behandelt wurde:
Alberto spricht über seine Leidenschaft zum Hobby. Video mit deutschsprachigen Voiceover (zur italienische OV mit dt. Untertitel).
Sehen Sie hier das Video zum Thema „Farbverlust bei analogem Filmmaterial“ mit vielen Bewegtbild-Beispielen zu Albertos O.R.S.