Super 8

The Super-8-People

Insiderblick in die Psyche des Filmsammlers

Archiv Teubig

Aus „Die Leinwand“ – Ausgabe 1/1987

Hätten Sie's gewußt?

Der „Homo-Superachtikus“ ist eine ganz besondere Spezies „Mensch“. Rein äußerlich sieht er wie so viele andere Menschen dieses Planeten aus. Man erkennt ihn und seine Leidenschaft nicht an seinem Äußeren, sondern an seinem Habitus. In besonderen Situationen offenbart er der Restwelt bewußt oder gänzlich unbewußt sein Innerstes – die Seele des „Homo-Superachtikus“. Flaniert er beispielsweise an einem Fotogeschäft der Innenstadt vorüber und entdeckt in dessen Auslage eine Filmspule, verklärt sich ein Antlitz. Wie magisch angezogen muß er vor dem Fenster verweilen. Freilich – Spulen nennt er vielleicht die Hunderte sein Eigen, dennoch ist er fasziniert von ihrer runden Schönheit, ihrem Profil und ihrer ebenschwarzen oder gar metallenen Beschaffenheit. Zu Gesichtsverfärbungen kommt es beim „Homo-Superachtikus“, wenn er vielleicht im gleichen Fenster ein sperrig-unschönes Technik-Monster entdeckt das in der Fachsprache „Projektor“ genannt wird. Sogleich verströmen seine Augen so etwas wie rauschhaftes Entzücken, verklären sich zum Spiegelbild nach innen, verfallen dem Schielen und zwar spätestens dann, wenn die Pupillen das Preisschild in seiner ganzen Bedeutung erfaßt haben.

Fast einer seelischen Entblößung kommt es gleich, wenn der Homo-Superachtikus buntbedruckte, meist quadratische Schachteln entdeckt, deren Beschriftung ihn zu höchster Lust bringen: 120m color/Ton. Sollten sich sogar mehrere solcher Schachteln zu einem „Ganzen“ fügen das die Aufschrift 6 x 120m color/Ton trägt, ist der Homo-Superachtikus dem seeligen Wahn nahe wie ihn nur strenggläubige Buddhisten kennen.

In dieser Situation, sie kann vor einem Schaufenster, bei einem Basar Gleichgesinnter oder dem Studium eines Kataloges eintreten, ist der Homo-Superachtikus ein schutzloses Subjekt seines eigenen Verlangens, verwundbar wie Siegfried mit dem Blatt, wobei sein Körper ein einziges, großes Blatt ist. Zu unerhörter Energie und Leben erwacht der Homo-Superachtikus wenn er im Kreise seiner Artgenossen, quasi im Rudel anzutreffen ist.

Er sprüht vor Lebensfreude und Kraft, spricht mehr und viel, manchmal mehr als mit dem Eheweibe in einer ganzen Woche, wobei zu bemerken ist das das Eheweib nur in seltensten Fällen ebenfalls von seiner Art und Rasse stammt.

Wohlige Schauer grenzenloser Begeisterung überfallen den Homo-Superachtikus wenn er einen selbsteingerichteten Raum betritt, der fensterlos, nur von farbigen Dimmstrahlen erleuchtet, quasi sein Herzblut darstellt.

In diesem Raum wird sein Blick stets angezogen von einem weißen, breiten Tuch; das Auge wandert hinüber zu den schon genannten, unförmigen Kästen mit Namen „Projektoren“ und vor der weißen Wand erblicken wir, kirchenartig angeordnet, Stuhl- und Sesselreihen die zum Niederlassen einladen. Hat der Homo-Superachtikus sein bekanntes Rudel zu Gast, überlaufen ihn wohlig-schwitzende Schauerbäder, er ist in seinem Element, die Seele ist weich wie Butter im Kalt- oder Xenonlicht. Öffnet er gar die schon beschriebenen Schachteln und entnimmt die mit schwarzen, schlangengleichen Zellulloidstreifen gefüllte Spule, beginnt der Homo-Superachtikus zu zittern – zu stark ist die magische Kraft und der Magnetismus der von diesem Material ausgeht… Sein Blut, eine Mischung aus Technicolor-Rot Nr.5 und Xenon-Blitz-Blau, gerät erneut in Wallung wenn der kirchengleiche Raum in tiefste Finsternis verfällt und ein strahlend-lebendig Bild nach dem Einschalten des Projektors den Raum durchflutet. Gleichzeitig nimmt der Blutdruck erheblich ab, der Homo-Superachtikus fühlt tief in seiner Seele „Entspannung“ und für ihn kein Fremdwort: „Filmerlebnis“ aufkommen. Nach diesem klimatischen Wechselbad für Physe und Psyche verfällt der Homo-Superachtikus wieder in Lethargie. Sein Lebenslicht freut sich auf Sparflamme schon wieder auf die nächsten Aufwallungen. Bis dahin bleibt er unerkannt in der Masse seiner „Nicht-Rasse“ bis dann … siehe oben!

Autor: Michael Teubig

„Die Leinwand“ Ausgabe 1/1987

Laden Sie hier die komplette Ausgabe, aus der dieser Artikel entnommen wurde, als PDF:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.