Archiv Teubig
Aus „Die Leinwand“ – Ausgabe 4/1986
Rot-Grün-Sicht
Im Jahre 1953 „revolutionierte“ mal wieder eine technische „Neuheit“ die gesamte Kino-Szene: der dreidimensionale Film kurz „3-D“ genannt, zog in (einzelne) Kinos ein. Man hatte das System als Gegenoffensive zu Cinemascope (von der 20th Century Fox propagiert) gestartet. Die Warner Brothers kamen mit 3-D heraus und behaupteten die „revolutionierenste Erfindung seit der Einführung des Tonfilms“ (ebenfalls von Warner erstmals eingesetzt) zu starten. Doch das System nach dem Analglyphen-Verfahren scheiterte an der Polarisationsbrille die man nun einmal als Zuschauer aufsetzen mußte um den 3-D-Effekt auch zu bemerken. Letztendlich weigerte sich das Publikum „it through the glasses“ zu sehen und glaubte mehr der Fox-Versprechung „Cinemascope – you can see it without glasses“.
3-D war also zum „sterben“ verdammt und alle Versuche das eigentlich doch recht beeindruckende Dreidimensional-Spiel voranzutreiben scheiterten schließlich. 3-D verschwand, tauchte wieder auf und hat sich – Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel- bis heute vereinzelt erhalten. Industriefilm-Firmen wie VW, die Bundesbahn und auch NIVEA bedienten sich immer wieder des 3-D-Verfahrens. Erst die Möglichkeit mittels metallisierter Leinwand und nicht eingefärbten Polarisationsbrillen auch echte Farbfilme in 3-D zu betrachten, gaben neuen Auftrieb. Heute kann man das 3-D-Verfahren wieder als Jahrmarkts-Attraktion bei großen Volksfesten im sogenannten Kugel-Kino wieder bewundern. Im „normalen“ Kino hat es keine Bedeutung mehr.
Was geblieben ist sind ein paar Klassiker jener Jahre die auch auf Super-8-Filmen und eben in 3-D zu haben waren. Sie zählen heute zu denabsoluten Sammler-Raritäten und sollen in dieser Folge der Super-8-Retro Filmen einmal ausführlich angesprochen werden. Wie schon bei Super-8-CinemaScope war es die Firma PICCOLO-FILM, die sehr gute Pionierarbeit leistete.

Der Schrecken vom Amazonas, Piccolo Film, 1x120m, 17min, 3D
Zu den Klassikern gehört ohne Zweifel der Jack Arnold-Film DER SCHRECKEN VOM AMAZONAS. Die rührend-schöne Monster-Geschichte wurde als 12Om-Fassung (Werbe-Slogan:“Erstmals in STEREO-BILD“) als „Duo-Color“-Film (Farbe war ja nicht möglich) angeboten. Jeder Filmpackung lagen zwei rot-grüne Polarisationsbrillen bei die zum Betrachten des Films unerläßlich waren. Gegen eine Gebühr konnte man bei Piccolo-Film noch weitere Brillen anfordern um mehr Zuschauer in den Genuß des Films kommen zu lassen. Noch heute liefert Piccolo (der Film ist längst vergriffen) die Polarisationsbrillen aus. Sie stammen aus den USA von Universal-Pictures die auch die Rechte an SCHRECKEN VOM AMAZONAS haben. Zu den Brillen sei noch etwas hinzugefügt: Anfänglich wurden rot-grüne Brillen ausgeliefert die später durch rot-blaue Brillen ersetzt wurden. Man hatte herausgefunden das die dem Grün artverwandte Farbe Blau die Kontraste des rot-grün aufgenommenen Filmes besser herausarbeitete. Das Bild gewann an „Tiefe“ und Schärfe. Obwohl die Brillen immer gut beschriftet waren („rot“ für das rechte Auge, „grün“ bzw.“blau“ für das linke Auge) hatten offensichtlich viele Leute Schwierigkeiten damit. Piccolo bekam viele Briefe und Filmrücksendungen mit Beschwerden der Kunden die „die entsetzliche Bildqualität“ bemängelten oder behaupteten der Film hätte überhaupt keinen 3-D-Effekt.
So mußte man den Kunden noch einmal per Brief erklären, das zum Betrachten des Amazonas-Schreckens in jedem Falle die Brille aufgesetzt werden müßte und zudem der 3-D- Effekt nur wirksam würde wenn die Brille richtig herum aufgesetzt sei. Ähnliche Erfahrungen müssen die Kinobesitzer in den 50er Jahren gemacht haben. Das Publikum war einfach (Verzeihung) zu blöd um 3-D-Filme richtig anzusehen!
Zurück zu Piccolo’s SCHRECKEN VOM AMAZONAS. Die bei der Bavaria in München gezogenen Kopien waren von sehr guter Qualität. Lediglich eine Nachauflage für den Großkunden Foto-Quelle war nicht so gut gelungen. Das Negativ-Material war falsch aufbereitet worden und der Film war unscharf und hatte nur einen sehr verminderten 3-D-Effekt. Darauf sollte man achten wenn die Quelle-Fassung angeboten wird. Eine spätere Korrektur der Quelle-Fassung dürfte kaum noch bermerkt worden sein…
Somit ist also nur die unter dem Piccolo-Zeichen erschienene Fassung zu empfehlen. Sie beinhaltet (ohne Rücksicht auf die Handlung) die spektakulären und vor allem 3-D-wirksamen Höhepunkte des Films. Besonders bei Großaufnahmen wo z.B. Unterwasserpflanzen oder ein Schiffsmast im „Vordergrund“ zu sehen sind, offenbart sich der Reiz des 3-D-Verfahrens. Der Abschuß von Harpunen-Pfeilen quasi zwischen die Augen des Zuschauers ist ebenso wirkungsvoll wie das aus dem Leinwandrahmen heraustretende Schuppen-Monster das mit seinen Fangarmen die Zuschauer zu ergreifen droht…
So gesehen ist CREATURE FROM THE BLACK LAGOON wie der Film auch in der Super-8-Veröffentlichung der Universal-8 hieß, der beste Vertreter seines Genres. Aufgrund des Erfolges startete Piccolo-Film noch einen weiteren Universal-Streifen in 3-D. IT CAME FROM OUTER SPACE wurde unter dem deutschen Originaltitel GEFAHR AUS DEM WELTALL als 120m-Fassung wieder im sogenannten „Duo-Color“ veröffentlicht. Was bei dem SCHRECKEN VOM AMAZONAS noch zu verschmerzen war, nämlich die Nicht-Berücksichtigung der Handlung, wurde bei GEFAHR AUS DEM WELTALL zur schmerzlichen Erfahrung. Wer den Film nicht kannte, konnte damit praktisch nichts anfangen. Man hatte sich wieder nur auf ein paar zugegebenermaßen wirkungsvolle Szenen verlassen, die das Ganze aber als Torso zurückließen. Dafür war die rein technische Qualität dem Amazonas-Schrecken ein wenig überlegen. Man merkte, daß auch die 3-D-Produzenten dazugelernt hatten und mit der Kamera besser umzugehen verstanden. Der Ton und das Bild des Films waren sowohl in der US-Fassung als auch in der identischen deutschen Fassung brillant. In Ermangelung weiterer Universal-Materialien in 3-D beendete Piccolo dann seinen Ausflug in den dreidimensionalen Kino-Raum.
Schon Jahre vorher hatte Piccolo-Film aber bereits einmal 3-D-Streifen im Programm gehabt. Zusammen mit der schon lange am Markt befindlichen Firma Inter-Pathé-Film in Frankfurt vertrieb man damals kleine Columbia-Kurzfilme verschiedenster Art. Darunter waren 15m und 50m-Streifen wie . und SPUKS II. Das waren Mini-Fassungen von 3-D-Columbia-Filmen die man mit dem Hinweis, das beim Fachhändler die dazu nötigen Brillen zu bekommen seien, verkauft wurden. Angeboten wurden die Streifen in Normal 8 und Super-8, was sich in einem Preisunterschied von 3-6.-DM widerspiegelte.
Sehr beliebt und viel verkauft waren die jeweils ca.50m-langen Filme mit und ohne Ton mit dem amerikanischen Komiker-Trio THE THREE STOOGES.
Die THREE STOOGES wurden erst jetzt dem breiteren Publikum durch das Nachmittagsfernsehprogramm der ARD bekannt gemacht. Bei Columbia-Pictures haben sie in den 40er Jahren eine Vielzahl von ca.15-25 Minuten langen Episoden gedreht die als „Beiprogramm“ in den Kinos liefen und später dann im Fernsehen (in den USA) sehr gern als Programmfüller eingesetzt wurden. Innerhalb der COLUMBIA-CLASSICS sind eine Vielzahl der THREE STOOGES-Filme auch auf Super-8 veröffentlicht worden. Es waren weit über 40 (!) Titel von denen ich etwa 6-8 in meinem Archiv habe. Doch nun zu den THREE STOOGES und 3-D. Columbia benutzte die slapstickhaften Späße des Trios auch für einige 3-D-Produktionen und davon sind wieder einige in gekürzter Form eben auch auf Super-8 erhältlich gewesen. So liegt mir hier ein ca. 30m langer Film mit dem Titel TRAILS OF HORROR vor, der mit punktgenau unterlegter Musik (aber keinem Dialog!) unterlegt ist. Er schildert die Zustände in einem „Mad Scientist“-Labor in dem die drei Komiker sich (natürlich) auf eine riesige Spritze setzen, einem Skelett begegnen und sich mit einem Affenmonster anlegen müssen. Inwieweit das aus einem längeren Film stammt war nicht festzustellen. Tatsache ist, das es noch weitere ca.5Om lange (manchmal eben auch nur 30m) Filme in 3-D gegeben hat. Dazu zählen Titel wie DIE MUMIE, IM WILDEN WESTEN und DER LÖWE IST LOS. Die Filme waren ähnlich wie z.B. HAMA-Vorspannfilme u.ä. in Papp&Plastik-Folien (vierfarbig bedruckt) verpackt. Die Brillen dazu gab es nur im Fachhandel und sie wurden nicht mit dem Film ausgeliefert. Wahrscheinlich ist das der Grund dafür, warum auch heute noch z.B. bei Inter-Pathé solche originalverpackten Filme zu finden sind. Klar ist, das alle Streifen direkt aus den USA importiert wurden was auch das Fehlen eventueller Dialoge erklärt – ansonsten gehört zum 3-D-Bild durchaus auch „Ton“. Die Qualität der Filme ist recht unterschiedlich. Manche sind sehr gut kopiert worden und andere sind so unscharf das man sie direkt vom Projektor in den Papierkorb laufen lassen kann.
Es wäre interessant zu erfahren ob LEINWAND-Leser zum Thema THREE STOOGES und 3-D noch Wissenswertes nachtragen können – wir würden uns freuen und das entsprechend nachtragen. Von amerikanischen Super-8-Freunden und englischen Sammlern habe ich bestätigt bekommen das es auch 60m-Fassungen von so interessanten Filmen wie HOUSE OF WAX mit Vincent Price und DIE TEUFLISCHE MASKE gegeben hat. Beide Filme sollen in der Qualität ganz ausgezeichnet gewesen sein und sowohl als Stumm- wie auch als Tonfassungen jahrelang lieferbar gewesen sein. Dabei handelte es sich ursprünglich um Warner-Brothers-Filme die zusammen mit United Artists-Filmen (von denen viele auch hier bekannt sind) im Angebot waren. Die Berliner Filmothek Offermann hat solche Kopien am Lager gehabt und sie sollen sporadisch auch in Kaufhäusern als Wühltisch-Ware aufgetaucht sein. Besonders HOUSE OF WAX dürfte für alle Horror-Fans interessant sein. Man hat den Film nur in den 50er Jahren in 3-D im Kino zu sehen bekommen und anläßlich der vorletzten Berliner Filmfestspiele hat eine Retrospektive wohl auch noch einmal die 3-D-Version zutage gefördert. Ansonsten ist HOUSE OF WAX sowohl auf Video als auch im 16mm-Verleihbereich nur als Farbkopie „flach“ ohne 3-D erschienen. Die beiden genannten 60m-Fassungen sollen sowohl vom Schnitt als auch vom Ton und Bildqualität her exzellent gewesen sein. Ich meine auch anläßlich eines London-Besuches in einem Filmgeschäft eine Schachtel von HOUSE OF WAX in 3-D entdeckt zu haben. Aber das ist lange her… Dafür kann es durchaus passieren das einer der qualitativ besten 3-D-Filme (ebenfalls mit Vincent Price) durchaus hier und da angeboten wird:
Die Rede ist THE MAD MAGICIAN, einem Columbia-Film der innerhalb der schon genannten Columbia-Classics-Serie als 120m Ton-3-D-Fassung lieferbar war und hier vorliegt. Das offenbar erstklassige Negativ bescherte den S-8-Fans eine brillante Kopie. Die Story: Vincent Price als verkanntes Varieté-Genie bringt auf den Brettern die die Welt bedeuten die Nummer seines Lebens: er zersägt eine Frau bei lebendigem Leibe. Leider ist die Dame dann wirklich tot und logischerweise spritzt das Blut vom rotierenden Kreissägeblatt direkt in das Gesicht des Zuschauers. Der gute Vincent Price wird am Ende des sehr sorgsam geschnittenen Films dann ebenfalls ein Opfer seiner genialen Schneidemaschine! Bis auf den abrupten Schluß ist das 3-D-Vergnügen komplett. Man kann eben nicht alles haben aber mit 3-D ein „bißchen“ mehr!
Autor: M. Teubig
„Die Leinwand“ Ausgabe 4/1986
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