Auf Super 8:

Deutschland

Ein Dokumentarfilm von Georg Stefan Troller

Am 10. Dezember 2021 wurde Georg Stefan Troller 100 Jahre alt.

Ein Artikel von Eberhard Nuffer

Der in Wien geborene Journalist und Dokumentarfilmer mußte seiner jüdischen Herkunft wegen als 16-Jähriger vor den Nazis fliehen und lebt seit 1949 in Paris. Deutschen Fernsehzuschauern wurde Troller vor allem durch seine markante subjektive Fragetechnik als Moderator des „Pariser Journals“ und bei seiner Porträt-Reihe „Personenbeschreibung“ bekannt.

Nur ein Troller-Film ist auf Super-8 erschienen: „Deutschland“, jahrelang die einzige Dokumentation im UFA-Katalog, die dort noch dazu durch ihre ungewöhnliche Länge von 180 Metern immer ein wenig wie ein Fremdkörper wirkte.

Was es mit dieser obskuren Produktion auf sich hat, konnte Eberhard Nuffer 2008 in Erfahrung bringen: Er traf den damals 86-jährigen Troller bei einem Medienseminar in Berlin, konnte mit ihm über die Entstehung des „Deutschland“-Films sprechen und seine Super-8-Kopie signieren lassen.

Der nachfolgende Text ist eine modifizierte Version von Nuffers Artikel in Ausgabe 7 (2008) des Filmmagazins „Cine 8-16“:

Deutschland

Während sich München auf die Olympischen Sommerspiele des Jahres 1972 vorbereitete, engagierte die Lufthansa Georg Stefan Troller als Autor für einen Dokumentarfilm mit Spielelementen, der internationale Gäste nach Deutschland locken sollte. „Für ein gutes Honorar“, so Troller, drehte er diese Auftragsarbeit, die das Land präsentabel machen, die zeigen sollte, welche Attraktionen Deutschland den Reisewilligen abseits der sportlichen Höchstleistungen in München zu bieten hatte. In den Vereinigten Staaten stieß das von Troller kreierte Deutschland-Bild sofort auf Zustimmung: Beim 14th International Film and Television Festival in New York wurde sein Film mit der Goldmedaille ausgezeichnet.

Am Frankfurter Flughafen stellt der Film seine (von Schauspielern verkörperten) Protagonisten vor: ausländische Gäste, die auf ihrer Deutschlandreise begleitet werden. Und so erleben wir mit einer jungen Japanerin, einem US-Amerikaner, einem Franzosen, einem britischen Pärchen und einem Lateinamerikaner touristische Attraktionen wie den Wintersport in Bayern, das Oktoberfest, den Hamburger Fischmarkt, Neuschwanstein, die Photokina, Heidelberg, die Reeperbahn, moderne Kunst, Theateraufführungen, den Kölner Karneval, aber auch das Ruhrgebiet, Porsche, Damenkegeln, FKK, die Studentenbewegung, die samstägliche Autowäsche und vieles, vieles mehr. All das ist rasant montiert, verspielt gestaltet (teilweise mit Freeze Frames, Zeitraffern…) und im Aufbau collagig verschachtelt – einzig verbunden durch Trollers ironisch-zynische Kommentare. Dabei baut Troller bei der Themenauswahl ebenso wie bei der Zeichnung seiner Protagonisten lustvoll auf Klischees: Die Japanerin fotografiert für ihr Leben gern, der junge Franzose ist ständig auf der Suche nach weiblicher Begleitung, der Amerikaner tritt mit Cowboyhut und dicker Zigarre auf und hat ein Faible für deutsche Oldtimer. Mit scheinbar beiläufig dahingeschnarrten Kommentaren wie „…ein Amerikaner, vielleicht etwas zu typisch ausstaffiert…“, „wenn drei Deutsche zusammenkommen, so gründen sie einen Verein“ oder „ein junges englisches Paar (…), das gerade den verbreitetsten Satz der deutschen Sprache lernt: ‚Herr Ober, bitte noch ein Glas Bier!’“, macht Troller sich dann auch gleich wieder selbst über seine Klischees lustig.
Troller ist seinerzeit für diese Art der subjektiven, wertenden Kommentierung, die er stets in seinen Filmen pflegte, stark kritisiert worden – widersprach sie doch aufs Heftigste dem klassischen Ideal des „neutralen“ Dokumentaristen. Da aber bald immer mehr Kollegen begannen, seine Kommentar- und Frageweise zu imitieren, ist der „Troller-Stil“ längst in die Fernsehgeschichte eingegangen.

Standbilder aus dem Dokumentarfilm „Deutschland“

„Während dieser 30 Minuten lernen Sie ein Land kennen, das Sie überrascht“, ist auf dem Super-8-Cover der UFA zu lesen. „Denn es gibt viele Landschaften in Deutschland, zwischen den Alpen und der Reeperbahn, die Sie so noch nicht gesehen haben. Sie würden, wie die Filmer, ein Jahr zum Sammeln dieser Bilder und eine Million Mark benötigen. Sie müssten sich in die Luft erheben, stets um die besten Plätze kämpfen und Ihre Augen überall haben. Erst dann hätten Sie einen solch spannenden Film von Deutschland“.
Natürlich musste zu unterschiedlichen Jahreszeiten gedreht werden, um die im Skript vorgesehene Fronleichnamsprozession ebenso abzudecken wie das Oktoberfest. Doch obwohl der Film seinerzeit durchaus großzügig budgetiert war, bezweifelt Troller, dass tatsächlich eine Million Mark in die Realisierung floss. Bei aufwändigen Szenen wurde teilweise mit drei 16mm-Kameras parallel gedreht. Inzwischen kann Troller schmunzeln, wenn er erzählt, dass beim Dreh der Kölner Karnevalsprozession die fest für die Totale eingerichtete Kamera die ganze Zeit das Allitalia-Logo im Hintergrund mit aufgenommen hatte. Da Lufthansa als Auftraggeber einen solchen Fauxpas nicht tolerierte, konnte natürlich beim Schnitt kein Zentimeter dieses Materials verwendet werden. Lachend erinnerte der 86jährige Troller sich auch an eine andere Szene, bei der die mitwirkenden Schauspieler dem Alkohol so reichlich zusprachen, dass dabei Dinge herauskamen, die so nicht im Drehbuch standen.

Beim SignierGeorg Stefan Trolleren meiner Kopie stellte Troller fest, dass sein Film seinerzeit in ganz unterschiedlichen Schmalfilm-Fassungen verkauft wurde: Er selbst besitzt eine Super-8-Kopie der Erstauflage, die 1972 bei CFI Contrast-Film herauskam – einer nur kurzzeitig aktiven Firma in Hoisten über Neuß. Die Contrast-Film-Edition war in acht Sprachversionen erhältlich, wurde in hübsch gestalteten Pappschachteln mit (teilweise kolorierten) Strichzeichnungen von Walter Eickhoff und „Booklet“ ausgeliefert und bei Eclair in Paris kopiert.
1974 übernahm UFA-ATB in Essen den Streifen in ihr Programm. Dort gab es nur noch die deutsche Sprachversion. Bei meiner Kopie handelt es sich um eine frühe UFA-ATB-Fassung, die auf randvoller 180m-Spule in der transparenten „SAB-Hartplastik-Cassette“ ausgeliefert wurde. Die zweiteilige, extrem bruchempfindliche Kunststoff-Verpackung wird mittels eines Dreh-Riegels verschlossen und enthält einen Einleger mit einer Collage aus Farbfotos.
Bei UFAs Neuauflage 1979 in der modernen Soft-Klappbox behielt man die Fotocollage bei, fügte jedoch noch einen halbkreisförmigen, schwarzen Rahmen hinzu.

Die Qualität der mir vorliegenden Kopie kann sich sehen lassen: Sie ist auf Agfa-Azetatmaterial gezogen und hat über die Jahre nichts von ihrer Farbigkeit verloren. Trotz einer gewissen Körnung wirkt die Schärfe in den Großaufnahmen toll, aber auch in den Totalen sind noch genügend Details zu erkennen. Das kurze Intro nebst den beiden Vorspanntiteln ist (zumindest bei meiner Kopie) in englischer Sprache, den Rest des Films kommentiert Troller auf Deutsch. Die Sprache ist gut verständlich, und Klaus Doldingers Filmmusik kommt auch in der Super-8-Fassung gut zur Geltung.

Laut Andreas Eggeling wurde die Neuauflage 1979 auf Agfa-Polyestermaterial kopiert; aufgrund des dünneren Trägermaterials ließ sich der Film nun auf einer 150m-Spule unterbringen.

„Deutschland“ blieb bis zum Ende der Super-8-Ära im UFA-Katalog und war dort zuletzt der einzige Titel in 180m-Konfektionierung.

Obwohl „Deutschland“ so lange im Angebot war, wurden jahrzehntelang vergleichsweise selten Gebrauchtkopien angeboten. Inzwischen tauchen jedoch immer wieder Super-8-Kopien auf dem Sammlermarkt auf und erfreuen sich offenbar großer Beliebtheit: Zum einen aufgrund der meist noch gut erhaltenen Agfa-Farben, vor allem aber natürlich wegen des 70er Jahre-Charmes und wahrscheinlich gerade, weil der Film für heutige Verhältnisse überhaupt nicht „politically correct“ ist.

Deutschland
GERMANY/L’ALLEMAGNE/ALEMANIA.

Deutschland 1970/71 (?).
Regie und Buch: Georg Stefan Troller.
Kamera: Wolf Wirth, Josef Kaufmann, Frank Brühne.
Schnitt: Eva Kohlschein.
Musik: Klaus Doldinger.
Sprecher: Georg Stefan Troller.
Script: Sonja Wiegrefe.
Produktionsleitung: Gerald Martell, Herbert Recla.
Creative Consultant: Heinz Bendixen.
Gesamtleitung: Hatto Kurtenbach, Bernd Schaefers.
Produktion: Interteam Filmproduktion München-Frankfurt-Zürich, im Auftrag der Deutschen Lufthansa AG.
Originalformat: 16mm, Farbe, Mono.

Deutschland

UFA-ATB Büscher-Film, Best-Nr. 121-1, 180m (178m) Color, deutscher Magnetton

Länge: 29 Minuten

Bildqualität: gut
Bildschärfe: gut
Bildstand: gut
Tonqualität: gut
Bildformat: Normalbild 1:1,33
Material: Agfa-Acetat (auch Agfa-Polyester-Kopien in Umlauf)

Testbedingungen:

Elmo GS 1200 (250 W HLX)
Projektionsabstand: 5,70m
Betrachtungsabstand: 4,70m
Bildbreite: 1,90m

Der ursprüngliche Artikel „Der Film ‚Deutschland‘: Georg Stefan Troller erinnert sich“ von Eberhard Nuffer erschien in: Cine 8-16 Nr. 7, Sept. 2008, S. 38-39

Restbestände des „Cine 8-16“-Magazins sind nach wie vor über die Website der „Privaten Interessengruppe Analogfilm“ erhältlich: www.celluloidfilm.de/cine-8-16.html

Diskussion über Trollers „Deutschland“-Film im Filmvorführerforum

Comments (2)

    • Joachim

      Hallo Herr Zimmermann, ja der Film ist sehr unterhaltsam Als ich ihn Mitte Oktober beim KUlturfest Lichtmeile in Mannheim vorführte, saßen auch junge Leute im Publikum. Da kam die Frauendarstellung (nachvollziehbarerweise) überhaupt nicht gut an.

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